Der Welthandel auf dem Seeweg

Vor kurzem veröffentlichte die Firma Kiln auf shipmap.org eine wunderbare interaktive Karte, welche den Großteil aller Handelsbewegungen des Jahres 2012 auf dem Seeweg visualisiert. Die Daten werden vom UCL Energy Institute bereitgestellt und basieren u.a. auf Grundlage des AIS. Man sieht z.B. sehr anschaulich die Routen von Supertankern im Persischen Golf oder den regen Verkehr entlang der europäischen Küsten. Von rund einem Drittel der weltweiten Schiffsbewegungen liegt der Ziel- oder Abfahrtshafen laut Bundesumweltamt in der EU. Damit sind Nord- und Ostsee unter den am dichtesten befahrenen Meeren weltweit.

Der Welthandel auf dem Seeweg hat immense Bedeutung am globalen Güterverkehr: 90% des Welthandels werden über den Schiffverkehr abgewickelt. Es sind über 50.000 Handelsschiffe  unterwegs, auf denen mehr als eine Million Matrosen aus Ländern aller Welt arbeiten (ICS 2017).

Stellt man die Ansicht unter „Show“ auf Routes um, erkennt man das enge Geflecht an weltweiten Handelsrouten. Außerdem können Daten für verschiedene Schiffsklassen angezeigt werden („Show“: Ships, Anzeige am oberen Bildschirmrand). Dabei wird in fünf Klassen unterteilt:

  • Container: meint die Zahl der Containerstellplätze, in denen z.B. Schuhe transportiert werden (ein Containerstellplatz entspricht 20 Fuß, also ca. 6 Meter), d.h. ein 40 Fuß großer Container nimmt zwei Stellplätze ein
  • Dry bulk:  Schüttgut in tausend Tonnen, d.h. Transportgut, welches nicht in fest quantifizierbaren Einheiten vorkommt (Erz, Kohle, Bauxit, Getrife etc.)
  • Tanker: meint z.B. Öl, auch gemessen in tausend Tonnen
  • Gas bulk: transportiert z.B. Flüssigerdgas, gemessen in Kubikmetern
  • Vehicles: u.a. Autos, angegeben in tausend Tonnen

Grund genug, sich etwas genauer mit dem Seeschiffsverkehr auseinanderzusetzen. Dabei sollen folgende Fragen beantwortet werden:

Welche Bedeutung hat die Seefracht am Welthandel?

Wie erwähnt, ist der Transport von Waren über den Seeweg der mit Abstand wichtigste Verkehrsträger am Welthandel. Ausgehend vom Gewicht, werden etwa 90% des grenzüberschreitenden Warenhandels auf dem Seeweg transportiert (bpb 2017). 2000 wurden rund 30.800 Mrd. Tonnen-Meilen (d.h. Transport einer Tonne Ladung über eine Seemeile) transportiert. 2017 waren es rund 56.300 Mrd. Tonnen-Meilen (UNCTAD/RMT/2017). Das entspricht einem Anstieg von fast 82 %. Laut Umweltbundesamt wird bis 2020 eine weitere Zunahme von 2-3 % erwartet.

Die Entwicklung von 2000 bis 2017, aufgeschlüsselt nach Transportgütern, zeigt die nachfolgende Abbildung:


Im Jahr 2017 liegt der Anteil des Öls am globalen Seefrachtverkehr bei 23 % (2000 waren es noch über 31 %). Den größten Anteil mit 30 % machen heutzutage die fünf wichtigsten Trockenladungen aus, worunter die UNCTAD Eisenerz, Getreide, Kohle, Bauxit/Aluminiumoxid und Phosphatgestein zusammenfasst. 2010 betrug deren Anteil noch nur 22,4 %

Möglich wurde der enorme Anstieg des globalen Seefrachtverkehrs nicht nur durch eine immer höhere Anzahl von Schiffen auf den Weltmeeren, sondern auch durch die Tatsache, dass die Containerschiffe immer größer und größer wurden. Der erste Vertreter der 2. Containerschiffgeneration, die Encounter Bay konnte rund 1.500 TEU (Twenty-foot Equivalent Units, d.h. 20-Fuß-Container) laden. Mit der 5. Generation ab 1997 konnten die Containerschiffe bereits 5.500 aufnehmen.

2013 wurde in Hamburg die „Alexander von Humboldt“ getauft, welche für 16.000 TEU Platz hatte. Derzeit ist das größte Containerschiff die „OOCL Hong Kong“, welche auf einer Länge von 400 Metern Platz bietet für  21.413 TEU. Alleine in den letzten 20 Jahren gab es somit einen Anstieg von fast 290 % in der Kapazität der größten Containerschiffe auf der Welt.

OOCL Hong Kong in Wilhelmshaven p3.jpg
Die OOCL Hong Kong in Wilhelmshaven
By Dji77Own work, CC BY-SA 4.0, Link

Welche Vor- und Nachteile bietet der Seeschiffsverkehr?

Der Transport von Gütern auf Schiffen ist mit älteste Art der Güterfortbewegung. Schon die alten Ägypter transportierten so Tiere, Felle und Baumaterial für die Tempelanlagen. Damit hat der moderne Seeschiffsverkehr nicht mehr viel gemeinsam. Die enorme Zahl und Größe der heutigen Containerschiffe auf den Weltmeeren bringt für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich.

Vorteile

  1. Riesiges Volumen: die größten Containerschiffe können jeweils ca. 20.000 TEU (Twenty-foot Equivalent Units, d.h. 20-Fuß-Container) laden. Auf ein Schiff passen somit bis zu 8.500 Autos. Zum Vergleich: in das größte Frachflugzeug der Welt, die Antonov AN-225, passen „nur“ 80 Autos
  2. Flexibel: man kann fast jedes Gut per Schiff transportieren
  3. keine Instandhaltungskosten der Verkehrswege: im Gegensatz zu Straßen und Gleisen muss man das Meer nicht warten. Klingt banal, spart aber hohe Kosten und Ausfälle
  4. Effizient: Containerschiffe (3.000 – 8.000 TEU) emittieren pro Tonnenkilometer (tkm) etwa 17 g CO2, ein Lkw (Last/Sattelzug 24-40 t, Durchschnittsgut) dagegen rund 68 g/tkm (Umweltbundesamt 2016)
  5. Verlust der Ware sehr selten: Schiffsunglücke passieren sehr selten, wodurch es kaum zu teurem Verlust der Waren kommt
  6. schnelle Verknüpfung von Transportmodi: große Häfen haben eine effiziente Hinterlandanbindung per Bahn, LKW und Binnenschifffahrt
 

Durch die Verkettung dieser und weiterer Vorteile ergeben sich ingesamt sehr niedrige Transportkosten. In einen TEU (20-Fuß-Standardcontainer) passen beispielsweise 10.000 in Fernost produzierte Markenjeans. Inklusive aller Logistikleistungen bis zum Endverbraucher kostet der Transport auf dem Seeweg rund 4.000 Euro pro Container – das macht einen Transportkostenanteil pro Jeans von nur 40 Cent (planet-wissen.de). Der Seetransport eines iPad von China nach Deutschland kostet 25 Cent, ein Fernseher aus Südkorea 3 Euro (abendblatt.de). Die Transportkosten fallen also so gut wie nicht mehr ins Gewicht.

Nachteile

Wirtschaftliche Nachteile ergeben sich folgende:

  1. lange Transportdauer:  ein Containerschiff von Asien nach Europa braucht zwischen 23 und 43 Tagen. Der Zug z.B. schafft die Strecke in 14 bis 19 Tagen, das Flugzeug noch schneller. Daher eignet sich der Schifftransport nicht für verderbliche Waren und schnell benötigte Waren. Medikamente wie Krebsmittel werden z.B. in der Regel per Luftfracht versendet (handelsblatt)
  2. Wetter- und Klimabhängigkeit: rauer Seegang z.B. kann die geplante Ankunft am Zielhafen um mehrere Tage nach hinten verschieben
  3. viele Formalitäten: der Seetransport unterliegt im Vergleich zu anderen Transportträgern oft sehr hohen Aus- und Einfuhrformalitäten

Wirtschaftlich gesehen, spricht sehr wenig gegen den Transport von Gütern auf dem Seeweg. Daher verzeichnet die Seeschifffahrt auch große Zuwächse und dominiert am Welthandel. Aus ökologischer Sicht bestehen jedoch einige gravierende Nachteile (Liste nach Umweltbundesamt 2017):

  1. Verschmutzung durch Öl: immer wieder kommt es zu gravierenden Ölkatastrophen, die zu schweren Schäden in den Meeresökosystemen führen. Beispielsweise sank im  September 2017 im Saronischen Golf vor Athen das Tankschiff Agia Zoni II mit 2.200 Tonnen Schweröl und 370 Tonnen Marinediesel an Bord. Bereits nach kurzer Zeit sind hunderte Wasservögel qualvoll verendet (stuttgarter-zeitung 2017).
  2. Verschmutzung durch Schiffsabwässer: das ungeregelte Einleiten von Abwässern ist zwar verboten, unter bestimmten Bedingungen dürfen sie jedoch ins Meer eingeleitet werden. Immer wieder kommt es auch zu Verstößen.
  3. Verschmutzung durch Schiffsmüll: das ungeregelte Einleiten von Abwässern ist zwar verboten, unter bestimmten Bedingungen dürfen sie jedoch ins Meer eingeleitet werden.
  4. Luftschadstoffemissionen des Seeverkehrs: in Bezug auf CO2-Emissionen ist der Seeverkehr durchaus als umweltfreundlich im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern zu bezeichnen:  das Schweröl, welches im Seeverkehr verwendet wird, enthält hohe Schwefelmengen (erlaubt sind bis zu 3,5 Prozent, d.h. das  3.500-fache des im europäischen Straßenverkehr zulässigen Schwefelgehalts). Es muss an Bord aufbereitet werten, wobei Reststoffe anfallen, welche nach wie vor illegal ins Meer geleitet werden.
  5. Einschleppen nicht-heimischer Arten durch Ballastwasser: Schiffe führen Ballastwasser mit sich, welches sie in fremden Häfen entleeren. Dadurch können Organismen wie Fische, Muscheln, Algen und Bakterien in fremde Ökosysteme eindringen und einheimische Arten verdrängen. Die an der nordamerikanischen Atlantikküste heimische Rippenqualle siedelte sich durch Einfuhr in Ballastwasser  in den 1990er Jahren im Schwarzen Meer an und dezimierte die dort heimischen Sardellenbestände erheblich (welt.de).
Exxon Valdez Oil Spill - 0016
1989 lief die Exxon Valdez vor Alaska auf Grund – mit verherrenden Folgen für das Ökosystem
Quelle: https://www.flickr.com/photos/arlis-reference/4749705879

Wie kann die Zukunft des Seeschiffsverkehrs aussehen?

Die der Visualisierung von shipmap.org zugrunde liegenden Daten sind nun knapp sechs Jahre alt. Seitdem ist der Seeschiffsverkehr weiter beständig gewachsen.

Megaprojekte

Ein geplanter Kanal im Süden Thailands soll die dortige Landenge durchschneiden und somit den Indischen und Pazifischen Ozean miteinander verbinden. Diese Abkürzung würde den kürzesten Seeweg zwischen Europa und Ostasien um 1.200 Kilometer verkürzen und Frachtschiffen somit bis zu drei Tagen Reisezeit sparen. Solch ein Megaprojekt würde den Welthandel massiv verändern und die Transportkosten noch weiter verringern. Mehr zum Projekt beim Handelsblatt.

Reduzierung der Emissionen

Auf der 70. Sitzung des Marine Environment Protection Committee (MEPC 70) der International Maritime Organization (IMO) 2016 einigten sich Vertreter der weltweit größten Reedereien auf eine Senkung der Treibhausemissionen. Man hat sich auf folgende Punkte geeinigt:

  1. Einführung eines verbindlichen Datenerfassungssystem für den Kraftstoffverbrauch von Schiffen
  2. Verabschiedung einer ersten, aber umfassenden Strategie zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen von Schiffen im Jahr 2018
  3. Einführung einer weltweiten Begrenzung des Schwefelgehalts des Treibstoffs auf max. 0,5 Prozent zum 1.1.2020

(Quelle: http://www.derenergieblog.de)

Starke Abhängigkeit von Weltwirtschaft und Geopolitik

Schon jetzt hängt das Volumen des Seeschiffsverkehrs stark mit dem globalen Wirtschaftswachstum zusammen. Seit 2008 kam es trotz wachsenden Welthandels zu einer Branchenkrise. Ursache waren 2008 waren hohe Überkapazitäten vor allem in der Containerschifffahrt, nachdem die Reeder zu viele Schiffe bestellt hatten und der Welthandel nach der Finanzkrise langsamer wuchs (shz.de). Schließlich ist es nicht auszuschließen, dass es auch in Zukunft wieder zu Finanzkrisen kommen kann. Hinzu kommt die unsichere geopolitische Lage in einigen öl- und gasexportierenden Staaten, welche sich z.B. auf die Schwerölpreise auswirkt.

Quellen

United Nations Conference on Trade and Development (2017): Review of Maritime Transport 2017.  

http://www.ics-shipping.org/shipping-facts/

https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/meere/nutzung-belastungen/schifffahrt#textpart-1

http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52531/seefracht

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/groesstes-containerschiff-alexander-von-humboldt-in-hamburg-getauft-a-902756.html

https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-energieeffizient-ist-ein-schiff

https://www.planet-wissen.de/technik/schifffahrt/hamburger_hafen/pwiecontainerschifffahrt100.html

https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article120875526/Von-Asien-nach-Europa-fuer-einen-Cent.html

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.griechenland-oelpest-vor-athen.6edc3f65-a9d4-4ffb-b4a4-00bf9f5632c3.html

https://www.abendblatt.de/hamburg/article213082599/Containerschiff-im-Hafen-verstoesst-gegen-Umweltauflagen.html

https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article133304516/Eine-der-groessten-Gefahren-fuer-heimische-Tiere.html

http://www.handelsblatt.com/politik/international/thailands-kanal-mega-projekt-soll-welthandel-veraendern/20338820.html

https://www.shz.de/regionales/schleswig-holstein/wirtschaft/reeder-krise-der-schifffahrt-hat-talsohle-durchschritten-id17749936.html

https://www.welt.de/wirtschaft/article166192602/Weltgroesstes-Containerschiff-legt-erstmals-in-Deutschland-an.html

4 Kommentare

  1. Bahnfracht aus China kommt auch immer mehr in rollen. Da Zeit immer mehr eine Rolle spielt kam neulich etwas per Bahn zur Firma. So gesehen kann die Bahn eine Alternative zum Schiff darstellen.

  2. Pingback: Vergesst die Seeleute nicht! | blankenese.de

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