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Wodurch ist die islamische Stadt geprägt?
Der Orient hat seiner mindestens 5.000 Jahre alten Stadtgeschichte eine der ältesten Stadtkulturen der Erde. Seit dem 7. Jahrhundert wird die Stadtkultur durch die islamische Kultur und seit dem 19. Jahrhundert durch Prozesse der Verwestlichung geprägt. Daher ist die islamisch-orientalische Stadt (nachfolgend kurz: die islamische Stadt) ist heute vor dem Hintergrund des Dualismus zwischen Altstadt und den unter westlichem Einfluss entstandenen Neustädten zu sehen. Sie besteht „aus einer Vielzahl innerurbaner Zentren und Kerne unterschiedlichster Formen und Funktionen“ (E. Ehlers 1993, S. 35 in Heineberg 2014, S. 310).
Islamische Stadt Merkmale – Das Idealschema nach K. Dettmann
Das Idealschema der islamisch-orientalischen Stadt wurde 1969 anhand einer Dissertation über Damaskus/Syrien von K. Dettmann entworfen. Es kennzeichnet wesentliche traditionelle Elemente des Aufbaus sowie der funktionalen und sozialräumlichen Gliederung der Alstadtbereiche in den Städten Nordafrikas und Vorderasiens.
Dabei sind charakteristisch:
- Typische Grundrissform der Straßen: strikte Trennung von Öffentlichkeit (Verkehrsweg) und Privatheit (Wohnungen) → sehr viele Sackgassen, wenige Hauptdurchgangsstraßen verbinden in weitmaschigem Netz die Tore
- ein- bis zweigeschossige Häuser mit fensterlosen Außenwänden und Öffnung zum Innenhof
- Segregation in den Stadtvierteln bzw. Wohnquartieren nach Nationen, Religionen, Konfessionen oder Sippen. Die Stadtviertel jeweils mit eigenem Subzentrum (lokaler Sûq, Moschee, Bad etc.) ausgestattet
- Stadtmauer um die Altstadt, Friedhöfe lagen außerhalb der Stadt
- Moschee als geistlicher, intellektueller und öffentlicher Kern
Der Basar (bazar, suq, souk)
Der Basar (auch bazar, suq, souk) ist in der islamischen Stadt historisch der zentrale Geschäftsbereiche der Stadt ohne Wohnfunktion. Das heisst, dass nach Ladenschluss die Basare menschenleer werden. Basare sind auch der wirtschaftliche (und oft soziale) Mittelpunkt eines Ortes. In überdachten Gassen arbeiten Einzelhändler, Handwerker und Großhändler, wobei nach Branchen sortiert wird. In größeren Städten kam es zur Entwicklung von Subzentren mit kleineren Basaren und Nebenmoscheen.
Die islamische Stadt unter westlichem Einfluss
Durch die Kolonialmächte kommt es seit dem 19. Jh. zur Verwestlichung und Europäisierung der islamischen Stadt. Den Idealtypus der islamisch-orientalisschen Stadt trifft man daher nur noch in Rudimenten an.
Neben dem traditionellen Basar entwickelt sich ein CBD (Central Business District) als zweites Geschäftszentrum. Beide sind durch ältere Geschäftsstraßen verbunden. Dieser CBD befindet sich im Bereich der früheren gehobenen Wohnviertel und hat mittlerweile die Hauptversorgungsfunktion übernommen. So ist er Standort für Verwaltung, Bildung, Sozialeinrichtungen und internationale Konzerne geworden. Am CBD-Rand siedelten sich Hotels, Oberschicht sowie Einkaufsstraßen an. Zwischen CBD und Villenvororten im landschaftlich attraktiven Umlandbereich entstanden moderne mehrgeschossige Mietshäuser.
Der alte Basar gerät als Folge des Aufschwungs des CBD in Gefahr, nur noch zur Touristenattraktion zu mutieren.
Im Bereich der Altstadt der islamischen Stadt und deren Umgebung kam es zur Slumbildung. Dies zeigt den Dualismus zwischen Altstadt und Neustadt. Zu Fragmentierung kam es ebenfalls. Diese vollzog sich durch das Entstehen zahlreicher bewachter Wohnanlagen (Gated Communities) wegen eines erhöhten Sicherheitsbestrebens als Effekt einer kulturellen Globalisierung.
Die folgende Karte zeigt dieses räumliche Muster am Beispiel der iranischen Hauptstadt Teheran: Man erkennt den alten Basar im Süden. Davon abgetrennt ist der CBD, u.a. mit Bildungseinrichtungen und sozialen Institutionen. Im Norden befindet sich der Villenvorort Zafaraniyeh.
Quellen
Heineberg, H. (2007): Einführung in die Anthropogeographie/Humangeographie. 3. Auflage. Heidelberg.
Heineberg, H. (2016): Stadtgeographie. 5. Auflage. Heidelberg.