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Die Stadtstrukturmodelle der Chicagoer Schule
Auf einer Reihe von empirischen Studieren basieren die drei klassischen Modelle der Chicagoer Schule der Sozialökologie. Sie werden als Stadtmodelle, Stadtstrukturmodelle oder Modelle der Stadtentwicklung gekennzeichnet. Sie versuchen, die Regelhaftigkeiten der wechselseitigen Abhängigkeit des sozialen und wirtschaftlichen Lebens innerhalb der Stadt zu erfassen (Heineberg 2014, S. 113).
Die drei Modelle sind:
- Ringmodell der Stadtentwicklung nach E.W. Burgess 1925/1929
- Sektorenmodell nach H. Hoyt 1939
- Mehrkernmodell nach C.D. Harris und E.L. Ullman 1945
Das Ringmodell nach E.W. Burgess
Das Zonenmodell/Ringmodell von Burgess 1925
Von C. Breßler – LICHTENBERGER, E. 1991:57, verändert, CC BY-SA 3.0, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=260555
- wurde anhand empirischer Untersuchungen in Chicago erstellt
- eines der wichtigsten Stadtstrukturmodelle in der Stadtforschung
- bildet idealtypischerweise die US-amerikanische Großstadt in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ab
- Chicago hat sich 1890 mehrere große Einwanderungswellen erlebt, aus denen ein hemmungsloses Bevölkerungswachstum erfolgt ist
Burgess erstellte das Ringmodell anhand seiner Forschungen zu Chicago
Aufbau der Stadt
Die Stadt ist in konzentrische Ringe um das Hauptgeschäftszentrum aufgeteilt. Das Wachstum erfolgt von innen nach außen. Es gibt das Stadtzentrum und vier Ringe:
Stadtzentrum (Loop)
- City einschließlich CBD
- Konzentration von Geschäfts- und Verwaltungseinrichtungen
- höchste Bodenpreise und geringe permanente Wohnbevölkerung
Erster Ring (Zone in transition)
- Übergangszone, in die sich die City bei entsprechendem Wachstum erweitert
- Betriebe der Leichtindustrie, Geschäfte und Bars
- Wohngebiete mit junger, alleinstehender Bevölkerung, mit Angehörigen ethnischer und sozialer Minderheiten (Immigranten)
- Hauseigentümer investiert nicht in Sanierung, da Wohnfunktion durch Wachstum langsam verdrängt wird → schlecht ausgestattete Altbauten → Slumartige Viertel mit jungen alleinstehenden Erwachsenen und hohen Kriminalitätsraten
Zweiter Ring (Zone of working-men’s homes)
- Arbeiterbevölkerung mit besserem Einkommen und höheren Ansprüchen
- Facharbeiter – Wohnzone mit Mehrfamilienhäusern
Dritter Ring (Residential Zone bzw. Zone of better residences)
- gut situierte Mittelschichtbevölkerung
- ursprünglich reine Einfamilienhausgebiete mit lokalen Einkaufsmöglichkeiten
Vierter Ring (Commuters Zone)
- Vorortzone der Pendlerwohngebiete mit Oberschichtbevölkerung
- größere Grundstücke, Neubausiedlungen, längere Pendlerdistanzen
- außerhalb des administrativen Stadtgebietes
Fazit zum Ringmodell
- Das Ringmodell ist ein Prozessmodell, das die Ausdehnung der einzelnen Ringe von innen nach außen beschreibt
- Einwanderer zogen zunächst in Viertel mit einer schlechten und daher preiswerten Bausubstanz in der Nähe des Zentrums
- Mit zunehmender Assimilation verlagern sich die Einwanderer in den angrenzenden konzentrischen Ring, wo sie jetzt als Einwanderer der zweiten Generation in besseren Häusern und auf größeren Grundstücken lebten, während in die Zone of Transition eine neue Generation von Einwanderern nachrückte
- Im Laufe der Zeit bildeten sich weitere Konzentrische Ringe, in die sich die Menschen im Zuge des sozialen Aufstiegs verlagerten
- Das Zentrum organisiert die Peripherie!
Das Sektorenmodell nach H. Hoyt 1939
Das Sektorenmodell von Hoyt 1939
Von C. Breßler – LICHTENBERGER, E. 1991:57, verändert, CC BY-SA 3.0, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=260555
- das Sektorenmodell von Hoyt von 1939 basiert auf empirischen Untersuchungen zur Höhe der Mietpreise in 30 US-amerikanischen Städten
- seine These: die Entwicklung von Wohngebieten unterschiedlicher Miethöhen folgt einem sektoralen Muster von der Stadtmitte in die Peripherie
- Ausgangspunkt für Veränderungen sind die großen Verkehrsachsen und das Wohnstandortverhalten der statushohen Bevölkerungsgruppen
Was waren die Ergebnisse der Forschung?
- Bodenpreise nehmen nicht gleichmäßig vom Zentrum in Richtung Peripherie ab, sondern dass sich recht stabile Sektoren unterschiedlicher Bodenpreise gebildet haben
- In der Nähe von Industrieanlagen oder Verkehrswegen sind die Bodenpreise sehr billig (Wohnstandorte der Arbeiter)
- Statushöhere Bevölkerung lebt in Lagen mit weniger Emissionen
Das Mehrkernmodell nach C.D. Harris und E.L. Ullman 1945
Das Mehr-Kerne-Modell von Harris/Ullmann 1945
Von C. Breßler – LICHTENBERGER, E. 1991:57, verändert, CC BY-SA 3.0, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=260555
Harris und Ullman (1945) stellten die Nutzung der einzelnen Teilbereiche der Stadt in den Vordergrund.
Um die City herum sind dabei die Unter- und Mittelschichtwohngebiete, in der Nachbarschaft Industriegebiete, am Stadtrand und im suburbanen Raum locker bebaute Oberschichtgebiete.
Allgemein entspricht das Mehrkernmodell am ehesten der Realität.
Was waren die Ergebnisse der Forschung?
- Mit der Größe der Stadt wächst auch die Zahl und Spezialisierung der Kerne (z.B. CBD, Parks, Shopping-Center) → je größer die Stadt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich Sub-Kerne herausbilden, um die sich die Stadt mit ihren sonstigen Funktionen organisiert
- Zentrum-Peripherie-Gradient: gibt die Verteilung der Bevölkerung um die City herum an, aber es werden weniger die räumlichen Verteilungen unterschiedlicher sozialer Strukturen dargestellt
Kritik/Einschränkungen der Modelle
- gelten nur für schnell wachsende Städte in kapitalistischen Staaten mit freier Marktwirtschaft
- die Modelle berücksichtigen nur zwei Möglichkeiten innerstädtischer Gliederung (funktional und sozialräumlich), die vertikale Differenzierung (Zusammenhang von Nutzen und Gebäudehöhe) wird nicht beachtet
Quellen
Heineberg, H. (2016): Stadtgeographie. 5. Auflage. Heidelberg.
² Hahn, B. (2014): Die US-Amerikanische Stadt im Wandel. Heidelberg.