Die Rekultivierung alter Tagebaue – Eine sinnvolle Wiedernutzbarmachung zerstörter Flächen?

Um die negativen Auswirkungen des Tagebaus auszugleichen, sieht das Bundesberggesetz vor, dass die Energieversorger die Wiedernutzbarmachung von zerstörten Flächen nach dem Ende des Braunkohleabbaus sicherstellen. Man spricht hierbei von Rekultivierung. Darunter fällt die landwirtschaftliche Wiedernutzbarmachung, die Umwandlung der Tagebaulöcher in Wasserflächen und Seen sowie in Naherholungsgebiete, die Aufforstung des Areals, der Bau von Industrieanlagen oder auch die Nutzung der Tagebaurestlöcher als Deponien für Hausmüll, Kraftwerksasche oder Sondermüll. Doch welche Problemstellungen ergeben sich bei der Rekultivierung alter Tagebaue?

Das Diagramm zeigt die Verteilung der Flächenanteile bei Rekultivierungsmaßnahmen in der Lausitz laut der aktualisierten Revierplanung der Lausitz Energie Bergbau AG von 2021. Es dominiert der Anteil an Wäldern mit 47 %, die durch artenreiche Waldbestände mit einem hohen Anteil an Laubbäumen gekennzeichnet sind. Ein weiterer erheblicher Teil mit 31 % wird durch Gewässer und Feuchtbiotope eingenommen, zu denen Bergbaufolgesee und Kleinwässer zählen. Landwirtschaftliche Flächen, die sowohl Ackerland als auch Grünland umfassen, machen 10 % aus und dienen als zukünftige Erwerbsgrundlage für Lausitzer Landwirte. Der verbleibende Anteil von 12 % fällt auf sonstige Nutzungen, wie Offenland für Arten- und Biotopschutz sowie die Infrastruktur für Straßen und Wege.

Beispiele für Rekultivierungsprojekte

Das Lausitzer Seenland (Brandenburg/Sachsen)

Beim Lausitzer Seenland handelt es sich ein künstlich angelegtes Seengebiet in der Lausitz. Durch Fluten stillgelegter Braunkohlentagebaue des Lausitzer Braunkohlereviers soll bis Ende der 2020er Jahre Europas größte künstliche Wasserlandschaft und Deutschlands viertgrößtes Seengebiet entstehen. Ein Teil der größten Seen sind als Seenkette durch schiffbare Kanäle miteinander verbunden. Insgesamt soll das Seengebiet eine Gesamtwasserfläche von circa 7.000 Hektar umfassen (Tourismusverband Lausitzer Seenland e.V. o.J.)

Einige der Seen in den gefluteten Restlöchern haben bereits ihren endgültigen Wasserstand erreicht, während andere noch im Prozess der Flutung stehen. Ergänzend zu den Seen umfasst das Gebiet auch künstlich angelegte Talsperren, welche v.a. zur Bereitstellung von Brauchwasser für Kraftwerke und zum Hochwasserschutz dienen.

Genutzt werden soll das Lausitzer Seenland in erster Linie zu Naherholungszwecken. Investitionen in Infrastruktur, wie Badestrände, Yachthäfen und Wassersportangebote, sind Teil des Entwicklungskonzepts. Bereits in Realisierung befindliche Projekte umfassen Anlagen am Geierswalder See und den Bärwalder See, Sachsens flächenmäßig größtem See.

Der Cottbuser Ostsee (Brandenburg)

Seit 2019 wird der ehemalige Braunkohletagebau Cottbus-Nord geflutet, um den größten künstlichen See Deutschlands mit einer Fläche von 1900 Hektar zu erschaffen. Zwischenzeitlich verzögerten Dürrejahre die Flutungspläne. Stand Anfang 2024 wurden bereits ca. 140 Millionen Kubikmeter Wasser, v.a. aus der Spree, eingeleitet. Bis Mitte 2025 soll die Flutung abgeschlossen sein und der Wasserstand dann 62,5 Meter über Normal betragen (Märkische Allgemeine 2024).

Die Sophienhöhe (Nordrhein-Westfalen)

Die Sophienhöhe, auch bekannt als Monte Sophia, ist ein riesiger, künstlich geschaffener Hügel in Nordrhein-Westfalen, der aus dem Abraum des Tagebaus Hambach entstand. Wegen ihrer Fläche von 13 km² und einer Höhe von fast 302 Metern wird die Sophienhöhe auch als „der größte künstliche Berg der Welt" bezeichnet (Scinexx 2009).

Tagebau Hambach: im Hintergrund ist die Sophienhöhe zu sehen (Bildquelle Geohilfe 2024)

Die Hügelkette, die die Landschaft rund um Jülich dominiert, liegt auf dem Gebiet des früheren Hambacher Forstes und erstreckt sich über mehrere Gemeinden. Die Abraummengen, die für den Kohleabbau des Hambacher Tagebaus bewegt wurden, waren so enorm, dass man sich entschied, sie direkt neben dem Tagebau zu lagern.

Die Aufforstung der Sophienhöhe begann 1988. Heute ist sie ein beliebtes Naherholungsgebiet, mit dichten Wäldern, Lichtungen, Teichen und einem weitläufigen Netz von Wanderwegen. Besucher können auf den höchsten Punkt, den Steinstraßer Wall, steigen und von dort aus bis in die Niederlande und ins Siebengebirge schauen. Es gibt auch ein Wildgehege sowie historische Nachbauten wie den Römerturm. Sogar Mammutbäume wurden auf der Sophienhöhe gepflanzt,

Die Sophienhöhe dient nicht nur als Freizeitgebiet, sondern beherbergt auch Einrichtungen wie ein Wetterradar und ein keltisches Baumhoroskop. Regelmäßig wird hier auch der Monte-Sophia-Lauf veranstaltet, der die Läufer über die Hügel und durch die Natur führt.

Drei Nachnutzungsmöglichkeiten und ihre Probleme

Die Rekultivierung birgt eine Vielzahl an Chancen, jedoch auch Risiken für die Region. Neben der Tatsache, dass es unweigerlich zu Verlusten an natürlicher Artenvielfalt kommt und gefährdete Tierarten den Verlust an Lebensraum nicht überstehen, treten weitere, spezifische Probleme bei den drei häufigsten Nachnutzungsmöglichkeiten, d.h. der Nutzung als Tagebausee sowie zur Forst- und Landwirtschaft, auf.

Tagebauseen

Momentan gibt es in Deutschland laut Umweltbundesamt rund 500 Kohle-Bergbau-Seen, die durch die Flutung der alten Tagebaue entstanden und teilweise bis zu 80 Meter tief sind.

Diese Bergbaufolgeseen haben ähnliche Eigenschaften wie saure Vulkanseen. Ihre saure Wasserchemie (pH-Werte zwischen 2,5 und 3,5) erschwert das Leben für die meisten Organismen. Für eine erfolgreiche Reproduktion von Fischen wird ein pH-Wert von mindestens 5,5 benötigt, während Muscheln, Krebse und Schnecken noch höhere pH-Werte verlangen. Auch Pflanzen können unter diesen Bedingungen schlecht gedeihen, da notwendige Nährstoffe gebunden werden und Kohlenstoff für die Photosynthese fehlt.

Der Gremminer See oder Ferropolissee ist ein aus dem ehemaligen Tagebau Golpa-Nord (Sachsen-Anhalt) hervorgegangener Tagebaurestsee. Im Vordergrund sieht man einen stillgelegten Schaufelradbagger (Bildquelle: GeoHilfe 2024)

Da die meisten dieser Seen ohne menschliches Eingreifen für Jahrzehnte ökologisch unbrauchbar sind, erfordern sie umfassende Sanierungsmaßnahmen. Dazu gehören die Anhebung des pH-Wertes durch Zugabe von Kalk und Natronlauge und der Sauerstoffaustausch durch Pumpen. Trotzdem ist eine dauerhafte Neutralisierung notwendig, da aus dem Boden ständig Säuren nachfließen können. Die Kosten für die Sanierung sind enorm und nicht alle Seen können aufgrund finanzieller oder ökologischer Gründe neutralisiert werden. So wurden beispielsweise in den Partwitzer See in der Lausitz im Zeitraum von rund zwei Jahren 20.000 Tonnen Kalk mit einem Spezialschiff eingebracht, um den pH-Wert zu erhöhen (Tagesspiegel 2016).

Insbesondere in Mitteldeutschland und der Lausitz sind viele sanierte Gewässerflächen aufgrund von Rutschungsgefahren und der mangelhaften Wasserqualität gesperrt.

In einer 2017 durchgeführten Studie mit insgesamt 36 Seen in der Lausitz, Mitteldeutschland, im Rheinland, in Hessen und Bayern, wurden 19 der Seen mit einem "guten" bzw. "sehr guten" ökologischen Potential bewerten, 12 Seen erhielten das Prädikat "mäßig", ein See "unbefriedigend" und fünf Seen konnten nicht abschließend bewertet werden. Bei den schlechter bewerteten Seen wurden u.a. zu viel Quecksilber und hormonell wirksame Tributylzinnverbindungen festgestellt (Umweltbundesamt 2017).

Landwirtschaft

Die Umwandlung von Bergbaulandschaften in landwirtschaftlich nutzbare Flächen ist kostspielig und ökologisch herausfordernd. Die fruchtbaren Eigenschaften vorheriger Böden lassen sich auf rekultiviertem Neuland nur schwer wiederherstellen. Ökologischer Landbau ist für lange Zeit nicht möglich, und selbst konventionelle Erträge erreichen erst nach Jahrzehnten das Niveau natürlicher Böden.

Der idealerweise getrennt gelagerte Oberboden wird beim Wiederauftragen oft mit dem Unterboden vermischt, was die Bodenstabilität und Fruchtbarkeit für Jahrzehnte beeinträchtigt. Zusätzlich führt steigendes Grundwasser nach Bergbauaktivitäten oft zu Vernässung und Stabilitätsproblemen der Flächen, was die landwirtschaftliche Nutzung verhindert und teilweise zu Naturschutzgebieten führt.

Trotz Verdichtung des Abraums eim Wiederaufschütten kommt es immer wieder zu Rutschungen und Setzungsfließen, was auftritt, wenn wiederansteigendes Grundwasser Massenbewegungen auslöst. So riss im Jahre 2009 eine Erdlawine Teile Nachterstedts, welche auf Abraumhalden des ehemaligen Tagebaus errichtet wurden, in den Abgrund, wobei drei Personen starben (Spiegel 2010). Das Wiederaufkommen von Grundwasser erfordert teure Pumpsysteme zur Vermeidung von Überflutungen, mit Kosten in Millionenhöhe pro Jahr.

Überdies führt das gepumpte oder aufsteigende Grundwasser zu Umweltbelastungen in den Flüssen durch Eisen- und Sulfateinträge, was auch die Trinkwasserversorgung beeinträchtigen kann. Insgesamt haben die Tagebaue in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen wohl 41 Grundwasserkörper beschädigt. Die Sanierung der Bergbaufolgelandschaften hat seit 1992 Milliarden Euro gekostet, mit weiteren Milliarden, die in den kommenden Jahren investiert werden müssen, ohne eine absehbare Erfüllung der EU-Umweltvorgaben.

Forstwirtschaft

Die Wiederaufforstung von ehemaligen Bergbaugebieten ist ein langwieriger und kostspieliger Prozess. Zunächst werden die Flächen mit einer mindestens zwei Meter dicken Lehmschicht bedeckt und dann planiert, gekalkt und gedüngt, bevor sie mit jungen, meist anspruchslosen Bäumen wie Kiefern und Birken bepflanzt werden. Trotz aller Anstrengungen kann die Sanierung nicht die Erträge von gewachsenen Wäldern erzielen und ist wirtschaftlich verlustreich.

Die neuen Waldböden sind oft verdichtet, was zu Wassermangel oder Staunässe und somit zu einem Sauerstoffmangel im Wurzelbereich der Bäume führt. Der Mangel an Mykorrhiza-Pilzen, essentiell für das Wachstum vieler Baumarten, ist ein weiteres Problem. Zusätzlich leiden die Flächen unter Trockenstress durch schnelles Austrocknen und Erosion, verschärft durch hohe Windgeschwindigkeiten und eine geringe Oberflächenrauigkeit. Selbst nach Jahren können Bäume plötzlich eingehen, wenn ihre Wurzeln auf ungünstige Bodenschichten treffen.

Um diesen Problemen zu begegnen, werden häufig bis zu einem Meter Mutterboden aufgetragen und regelmäßige Bewässerung sowie Düngung sind notwendig, um das Überleben der Bäume zu sichern. Dennoch sind die Herausforderungen groß und viele Jungpflanzen gehen ein.
Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Partei Die Linke im Jahre 2019 mitgeteilt, dass bis Mitte 2019 bereits 15.777 Hektar landwirtschaftlicher Flächen neu erschlossen wurden. Sie erklärt weiterhin, dass der Prozess, Humus zu bilden, die Bodenstruktur zu verbessern und ein aktives Bodenleben sowie notwendige Nährstoffkreisläufe auf diesen Flächen zu entwickeln, viele Jahre in Anspruch nimmt. Der Wechsel zwischen dem Anbau von bestimmten Gräsern und Leguminosen (z. B. Bohnen, Linsen) hat sich auf diesen jungen Böden als effektiv herausgestellt und dauert je nach Ort sieben bis 15 Jahre. Laut der Bundesregierung sind gut wiederhergestellte landwirtschaftliche Flächen mindestens ebenso gut wie die umliegende Landschaft. Allerdings erreichen solche Flächen ihr volles Ertragspotenzial erst nach zwei bis drei Jahrzehnten (Agrarheute 2019).

Fazit

Eine abschließende Beurteilung der Sanierungsmaßnahmen ehemaliger Tagebauflächen gestlatet sich aufgrund der Quellenlage als schwierig. Hierauf weißt auch eine Dokumentation der wissenschaftlichen Dienste der Bundesregierung hin.

Auf der einen Seite argumentieren Wissenschaftler mit den langwierigen und kostspieligen Folgekosten der Braunkohle. Die Sanierung dieser Gebiete wird als komplex beschrieben, vor allem wegen der Unsicherheit der Finanzierung durch die Tagebaubetreiber, die nach Bundesberggesetz verantwortlich sind. Es besteht ein hohes Ausfallrisiko bei den Rückstellungen, die die Betreiber selbst berechnen und überwachen. Zudem zeigen wissenschaftliche Einschätzungen, dass frühere Sanierungsmaßnahmen oft wegen dauerhafter Bodenschäden nicht erfolgreich waren.

Auf der anderen Seite berichtet die RWE Forschungsstelle von erfolgreichen Rekultivierungsprojekten im Rheinischen Revier, die sowohl land- als auch forstwirtschaftliche Flächen erfolgreich wieder nutzbar gemacht haben, wobei diese Maßnahmen auch eine hohe Artenvielfalt fördern.

Vermutlich werden noch einige Jahrzehnte vergehen müssen, um eine fundierte, abschließende Beurteilung vornehmen zu können.

Quellen

https://www.agrarheute.com/politik/16000-hektar-tagebauflaechen-lausitz-rekultiviert-562901

https://www.bundestag.de/resource/blob/908730/32e8e6ba6f555d9fe8e8932c17948878/WD-8-024-22-pdf.pdf

Kolb, H. J. (o. J.): Rheinisches Braunkohlerevier – Landschaftswandel. Braunschweig.

https://www.lausitzerseenland.de/de/erleben/wasser.html

https://www.maz-online.de/brandenburg/cottbus-so-laeuft-brandenburgs-groesster-see-in-ex-tagebau-immer-voller-4A436ZAMSFHIJI5QSPETWZEWBQ.html

https://www.scinexx.de/dossierartikel/berge-von-menschenhand/

https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/erdrutsch-von-nachterstedt-geheimnisvolles-grollen-vor-dem-grauen-a-706782.html

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/renaturierung-baden-in-der-braunkohlegrube-1.2004029

https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/seen#biologie

https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/geheilte-wunden-wasserqualitaet-von-tagebauseen-in