Die Rolle des High Line Park an der Gentrifizierung des New Yorker Meatpacking Districts

Wie kaum eine andere Stadt auf der Welt wandelt sich New York City ständig, wobei architektonische und städtebauliche Initiativen maßgeblich zur Umgestaltung des urbanen Raums beitragen. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist die High Line, eine ehemalige Güterzugtrasse, die zu einem Park umgestaltet wurde. Dieser Touristenmagnet hat jedoch nicht nur positive Veränderungen gebracht, sondern auch eine Diskussion über seine Rolle bei der Gentrifizierung der umliegenden Viertel ausgelöst.

Die High Line: Vom Industriebrachland zum urbanen Paradies?

Ursprünglich plante man den Abriss der verlassenen Güterzugtrasse im Westen Manhattans, doch durch das Engagement verschiedener Bürgerbewegungen in New York konnte dies abgewendet werden. So setzte sich die NGO „The Friends of the High Line„, unter der Leitung von Joshua David, dem aktuellen CEO des World Monuments Funds (WMF), dafür ein, die Bahntrasse, die durch die Stadtteile Meatpacking District (gehört zu Greenwich Village) und Chelsea verläuft, in einen 2,33 km langen Park umzuwandeln. Finanziert wurde das Projekt vor allem über Spenden. Der Park, der jährlich von rund sieben Millionen Personen besucht wird, erstreckt sich über drei Abschnitte, die abschnittsweise zwischen 2006 und 2023 fertiggestellt wurden.

Überblick über die Geldgeber für das Projekt der High Line
Bildquelle: Geohilfe 2022

Die Gegend um die High Line, die einst von industrieller Fleischproduktion, dem Rotlichtmilieu und günstigem Wohnraum geprägt war, erlebte in den vergangenen Jahrzehnten eine bemerkenswerte Veränderung. Sie wurde zum Anziehungspunkt für New Yorker Hipster und Künstler, mit Cafés, Bars und Street Art entlang der alten Bahnstrecke. Dies wiederum machte die Westside Manhattans für Investoren attraktiv. Neue Wohn- und Bürokomplexe entstanden, die Mietpreise stiegen an, und die ursprüngliche Bevölkerung wurde nach und nach von neuen Einwohnern abgelöst.

Die High Line und die Gentrifizierung

Gentrifizierung bezieht sich auf den Prozess, bei dem eine ehemals vernachlässigte oder heruntergekommene Nachbarschaft durch Investitionen, Sanierungen und Veränderungen in der Bevölkerungszusammensetzung aufgewertet wird. Die High Line hat zweifellos zur Aufwertung der umliegenden Viertel beigetragen, aber auch Bedenken hinsichtlich steigender Mieten, sozialer Verdrängung und dem Verlust kultureller Vielfalt hervorgerufen.

So lenkte die Entwicklung der High Line das Interesse von Investoren und Immobilienentwicklern auf die Gebiete entlang der Trasse. Dies führte zu einer verstärkten Nachfrage nach Wohnraum, was wiederum zu einem Anstieg der Immobilienpreise und Mieten führte. Der Meatpacking District, der einst für seine erschwinglichen Mietpreise bekannt war, wurde zunehmend unerschwinglich für einkommensschwächere Haushalte. So ergab eine Untersuchung aus dem Jahr 2016, dass bis Juni 2011 (als Abschnitt 2 der High Line eröffnet wurde) der Medianpreis für Immobilien rund um Abschnitt 1 und 2 der High Line auf 1.422.899 Dollar bzw. 877.152 Dollar anstieg. Er lag damit deutlich über dem Medianpreis der benachbarten Stadtviertel, der bei 763.301 Dollar lag. Der Medianpreis für Immobilien in Abschnitt 1 erreichte im Mai 2016 2.143.287 Dollar. Damit liegt er mehr als 100 Prozent höher als der Immobilienwert in der Nachbarschaft einen Block weiter östlich.

Dass sich der Trend weiter fortsetzt, zeigt die folgende Grafik. So liegt der Medianpreis für Immoblien in den Stadtteilen Greenwich Village und Chelsea, in denen die High Line liegt, deutlich über dem Durchschnitt von Manhattan und ist nahezu doppelt so hoch wie der Durchschnitt New Yorks.

Graph of the median sale price in Chelsea, NY

Mit dem rasanten Anstieg der Immobilienpreise und damit der Mietkosten geht die Verdrängung der angestammten Bewohner einher. Neue hochpreisige Wohnungen und kommerzielle Einrichtungen locken eine wohlhabendere Bevölkerung an, was zur Vertreibung von Familien führt, die sich die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht mehr leisten können. Dabei verläuft die Gentrifizierung in mehreren Phasen, wie in diesem Beitrag dargelegt wird. Das westliche Chelsea war einst geprägt von Arbeitern, die in einfachen Wohnungen wohnten. Hinzu kamen kleinere Gewerbebetriebe. Nahezu aller dieser Betriebe, die u.a. auf die Wartung und Reparatur von Autos spezialisiert waren, verschwanden in den letzten Jahren. Ebenso erging es alteingesessenen Restaurants und Bars, da deren Stammkunden umziehen musste. An deren Stelle kamen Designerboutiquen und hochpreisige Gastronomieangebote für eine zahlungskräftige Kundschaft. Dieser Effekt zeigt sich auch in umliegendenden Nachbarschaften, weswegen man vom sog. „Halo– (Heiligenschein-) Effekt“ spricht. Der Kolumnist Jeremiah Moss meint hierzu in der New York Times: „Gone entirely will be regular New Yorkers, the people who used to call the neighborhood home. But then the High Line was never really about them.“ Moss zeigt in seinem Beitrag auch einige Bilder des ehemaligen Meatpacking Districts.

Schätzungen der Friends of the High Line in der Planungsphase ergaben, dass durch die High Line Mehreinnahmen für die Stadt in Höhe von rund 250 Millionen Dollar über 20 Jahre infolge der höherer Steuereinnahmen entstehen. Dass diese Schätzungen zu konservativ waren und den Erfolg des Projekts unterschätzten, zeigt die Tatsache, dass diese Schätzung bis 2014 auf 900 Millionen Dollar korrigiert werden musste. Zusätzlich führte die Stadt weitere zwei Milliarden Dollar an neuen Investitionen auf die High Line zurück.

Jedoch ist die High Line nicht der einzige Treiber der Gentrifizierung von West Chelsea. Der Prozess begann bereits früher. Bereits im Dezember 1999 waren Immobilien am heutigen Abschnitt Abschnitt 1 des High Line Parks teuer und erzielten einen medianen Wiederverkaufspreis von 743.000 Dollar – 82 Prozent höher als der Rest von Downtown Manhattan, der nur 407.000 $ erzielte. Die Sexclubs und die BDSM-Szene, die in den späten 1970er und 1980er Jahren mit dem Meatpacking District und Chelsea in Verbindung gebracht wurden – das, was dem Gebiet seinen schmuddeligen Ruf verlieh – waren zu diesem Zeitpunkt längst verschwunden. Tatsächlich begann der Niedergang dieser Szene bereits 1985, als die Politik alle schwulen Badehäuser, Bars und Clubs der Stadt mit „hohem Risiko sexueller Aktivitäten'“ schließen ließ.

In den Jahren darauf vollzog sich der typische Gentrifizierungsprozess des Phasenmodells nach K. Friedrich. Zunächst siedelten sich die Pioniere an: Künstler und Galerien kamen verstärkt in das Viertel auf der Suche nach großen Räumen und günstigen Mieten. Ihr Anteil wurde immer größer. Der Wendepunkt kam laut Jeremiah Moss von Vanishing New York im Jahr 1999, als ein weitere trendige Restaurants eröffneten und eine neue Welle von zahlungskräftigen Kunden mit sich brachten. „From there, the floodgates opened and the old world quickly came to an end„, schrieb Moss. Damit wurde die dritte Phase des Modells erreicht – die Gentrifier ziehen ein.

Ein weiterer bedeutender Schritt im Gentrifzierungsprozess wurde vollzogen, als die Modeschöpferin Diane von Fürstenberg 1997 den Hauptsitz ihrer Modemarke in ein brandneues, luxuriös ausgestattetes, sechsstöckiges Gebäude in Chelsea verlegte. Dies ebnete den Weg für viele weitere Designer, die ihrem Beispiel folgten. Der Beginn der Bauarbeiten einige Jahre später beschleunigte diesen Prozess noch weiter.

Die Zukunft und Fazit

New York wäre nicht New York, wenn keine weiteren Veränderungen stattfinden würden: auf dem Gelände des ehemaligen Bahndepots West Side Yard – ebenfalls im Stadtviertel Chelsea, soll bis 2027 auf 11 Hektar Fläche ein neuer Gebäudekomplex mit 16 Wolkenkratzern entstehen. Der erste Bauabschnitt ist bereits fertiggestellt und beinhaltet u.a. die begehbare Struktur „The Vessel“ und ein Shopping-Center.

Blick auf die bereits fertiggestellten Gebäude des Komplexes „Hudson Yards“ mit „The Vessel“ links im Bild
Bildquelle: Geohilfe 2022

Die High Line und Hudson Yards sind nicht nur ein Park bzw. ein Gebäudekompelx, sondern auch Symbole für die vielschichtige Dynamik einer Stadt im Wandel. Sie zeigt, dass städtische Entwicklung nicht nur eine Frage der Architektur, sondern auch der sozialen Prozesse ist und in der hier abgelaufenen Intensität zwangsläufig mit einer Verdrängung alteingesessener Bewohner einhergeht.

Quellen

https://streeteasy.com/blog/changing-grid-high-line/

http://vanishingnewyork.blogspot.com/2013/08/meatpacking-before-after.html

https://www.architectmagazine.com/design/the-high-line-network-tackles-gentrification#:~:text=As%20Jeremiah%20Moss%2C%20author%20of,around%20New%20York%27s%20High%20Line.

https://www.nytimes.com/2012/08/22/opinion/in-the-shadows-of-the-high-line.html