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Demographischer Wandel Definition
Als zweiten demographischen Übergang (demographischer Wandel) bezeichnet man die demographische Entwicklung, die in den westlichen Industrieländern zu beobachten ist und maßgeblich durch das Absinken der Geburtenraten unter das Bestandserhaltungsniveau von durchschnittlich 2,1 Kindern je Frau geprägt ist. Das Konzept wurde von den beiden Demographen Van de KAA und Lesthaege entwickelt (de Lange et. al. 2014, S. 169)
Welche Facetten prägen den demographischen Wandel?
- die Geburtenraten sinken unter das Bestandserhaltungsniveau (durchschnittlich 2,1 Kinder pro Frau).
2013 lag sie in Deutschland bei 1,41 (der Spiegel, 2014) - die Pluralisierung der Lebensstile und eine fortschreitende Individualisierung (höhere Autonomie, Lebenslauf wenig vorbestimmt, Selbstverwirklichung)
- eine steigende Lebenserwartung und daraus ein ansteigender Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung
Deutschland hat nach Japan die zweitälteste Bevölkerung weltweit. 1995 lag das Durchschnittsalter bei 40,0 Jahren, 2013 lag es bereits bei 44,1 Jahren (faz.net 2015) - der Altenquotient (= das Verhältnis von Menschen über 65 Jahren auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 64) lag 2015 bei 34,7 und steigt weiter an (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2017). Zum Vergleich – im EuroZone-Durchschnitt liegt er 2016 bei 30,60 (de.statista.com, 2017)
- die Bevölkerungsstruktur in Deutschland wird durch Zu- und Abwanderungsprozesse heterogener
- insgesamt sinkt die Bevölkerungszahl in Deutschland
Soweit die „klassischen“ Faktoren des demographischen Wandels. Der Migrationsstrom 2015 hat den demographischen Wandel jedoch deutlich „durcheinander“ gebracht: 2015 kamen circa zwei Millionen Flüchtlinge und andere Zuwanderer in die Bundesrepublik. Der Wanderungssaldo lag bei +1,14 Millionen. Bei den Zuwanderern handelt es sich v.a. um junge Menschen. Daher stellt sich die Frage:
Wie wirkt sich der Zuwanderungsstrom seit 2015 aus?
- die Geburtenrate steigt wieder – 2016 kamen 55.000 mehr lebendgeborene Kinder auf die Welt als 2015 (+7,4 %); insgesamt waren es 792.000 (welt.de, 2017). Die Geburtenziffer stieg 2015 auf 1,50, liegt aber immer noch unter dem EU-Durchschnitt von 1,58. In erster Linie wirken sich hier die familienpolitischen Maßnahmen der letzten Jahre, wie eine höhere Anzahl an KiTa-Plätzen, aus. Dadurch bekommen auch wieder mehr Akademikerinnen Kindern. (faz.net, 2017). Ob und inwieweit sich der Zuwanderungsstrom ab 2015 positiv auf die Geburtenrate auswirken wird, bleibt abzuwarten.
- eine Pluralisierung der Lebensstile und fortschreitende Individualisierung ist weiter zu beobachten
- an der steigenden Lebenserwartung ändert die Zuwanderung nichts, jedoch sinkt das Durchschnittsalter der Bevölkerung (durch die vielen jungen Migranten) wieder. Von 2014 auf 2015 sank das Durchschnittsalter der in Deutschland lebenden Bevölkerung von 44 Jahren und 4 Monaten auf 43 Jahre auf 3 Monate. Dabei stieg das Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung von 44 Jahren und 10 Monate auf 45 Jahre, das der nichtdeutschen Bevölkerung sank aber von 38 Jahren und 9 Monate auf 37 Jahre und 5 Monate (destatis 2017)
- der Altenquotient steigt weiter – 2015 lag er bei knapp 35, bis 2035 wird er Prognosen zufolge bei 40 bis 50 liegen. (faz.net, 2017)
- durch Zu- und Abwanderungsprozesse wird die Bevölkerung in Deutschland noch heterogener
- Deutschland schrumpft nicht mehr – lange wurde davon ausgegangen, dass bis 2060 weniger als 70 Millionen Personen in Deutschland leben. Die hohe Nettozuwanderung junger Menschen kehrt diesen Trend nun um. 2015 lag die Nettozuwanderung bei 1,14 Millionen Personen, 2016 bei rund 750.000. Das Statistische Bundesamt rechnet langfristig mit einem jährlichen Bevölkerungszuwachs von 200.000 Menschen (faz.net, 2017)
Fazit:
Der Zuwanderungsstrom 2015/2016 hat den demographischen Wandel in vielerlei Hinsicht (Bevölkerungwachstum, Durchschnittsalter) aufgeschoben. Dennoch wird die Bevölkerung in Deutschland immer älter. Die Entwicklung verläuft dabei sehr ungleich. Besonders Ostdeutschland wird in Zukunft wird vom demographischen Wandel stark betroffen sein.
Welche Folgen des demographischen Wandels bleiben trotz der Zuwanderung bestehen?
- In Ostdeutschland ist das Durchschnittsalter der Bevölkerung höher als in Westdeutschland
? Das älteste Bundesland ist Sachsen-Anhalt mit 47,4 Jahren (zeit.de, 2016) - In (Groß)Städten ist das Durchschnittsalter der Bevölkerung geringer als auf dem Land
? Das jüngste Bundesland ist Hamburg mit 42,3 Jahren (zeit.de, 2016)
Welche Gründe gibt es für diese Trends?
- die peripheren Gebiete in Ostdeutschland sind Abwanderungsregionen – in den neunziger Jahren sind sehr viele junge Menschen von Ost- nach Westdeutschland gezogen. Der Grund sind die besseren Jobperspektiven
- langsam normalisiert sich der Alterungsprozess im Osten aber, wobei die Geburtenziffer in Ostdeutschland (1,56) sogar über der im Westen (1,50) liegt (zeit.de, 2016)
- die jungen Leute gehen v.a. in die Städte – das jüngste Bundesland ist der Stadtstaat Hamburg mit einem Durchschnittsalter von 42,3 Jahren (zeit.de, 2016)
Was sind die Konsequenzen?
Die Konsequenzen des demographischen Wandels sind vielfältig und betreffen fast alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche (Quelle: Wehrhahn et. al.). Das Ausmaß unterscheidet sich jedoch von Landkreis zu Landkreis.
So kommt es zu veränderten Nachfrage- und Angebotsstrukturen – in Japan hat die Zahl der Verkäufe von Windeln für Erwachsene mittlerweile die Zahl der Verkäufe für Windeln für Kinder überstiegen. Außerdem vollziehen sich Arbeitsmarkveränderungen wie der Fachkräftemangel momentan zeigt.
Die öffentliche Finanzen kommen aus dem Gleichgewicht durch zu hohen Rentneranteil. Das wiederum stellt die Wirtschaftlichkeit von Abwasser, Müllentsorgung etc. auf die Probe. In der Folge ist mit steigenden Gebühren zu rechnen, falls das Defizit nicht anderweitig ausgeglichen werden kann.
Auch in der Wohnungswirtschaft ist mit Konsequenzen zu rechnen. Es gibt immer kleinere Haushalte – z.B. mehr Ein-Personen-Seniorenhaushalte. Barrierefreie Senioren-WGs könnten hier eine Lösung darstellen. Immer kleinere Haushalte bedeuten auch: immer mehr Ein-Personen-Haushälte. Dadurch wird mehr Wohnfläche nachgefragt.
Im Mobilitätsverhalten schlägt sich z.B. die Abnahme der Schülerzahlen nieder. Es kann zu einer Angebotsverschlechterung kommen, und wenn Schulen wegen zu weniger Schüler schließen müssen, bedeutet dies in der Summe auch weitere Wege zur Schule.
Die Gesundheitsversorgung wandelt sich in Bezug auf finanzielle Lasten. Einige Branchen profitieren stark. Bei kinder- und jugendspezifischen Angeboten dahingegen wird es einen Rückgang geben, da sich die Angebote nicht mehr rentieren werden.
Auch geht die Auslastung von Dienstleistungs- und Handelseinrichtungen sowie Gastronomie und Vergnügungsbetrieben im dünn besiedelten Raum geht zurück. Der Ärztemangel im ländlichen Raum ist bereits seit Jahren ein Thema. Es kommt zu Betriebsaufgaben/Verlagerungen bzw. Mobilisierungen. Eventuell sind rollende Bäcker und mobile Arztpraxen eine Lösung. Die Sparkasse praktiziert für Teile des ländlichen Raums bereits solch eine Lösung. Hier kommt dann regelmäßig die „Sparkassenfiliale auf Rädern“ in den Ort.
Vertiefende Informationen
Weitere Diagramme und Informationen zum Thema gibt es unter:
Quellen
Wehrhahn, Rainer, Sandner Le Gall, Verena (2015): Bevölkerungsgeographie. Darmstadt.