Inhalte
Das Phasenmodell von Agglomerationsräumen
Das Phasenmodell von Agglomerationsräumen nach GAEBE beschreibt die Veränderungstendenzen der Bevölkerungs– und Beschäftigungsentwicklung in Agglomerationsräumen. Man unterscheidet vier Phasen:
- Urbanisierungsphase
- Suburbanisierungsphase
- Desurbanisierungsphase
- Reurbanisierungsphase
Die Phasen müssen nicht aufeinander folgen (Heineberg 2016. S. 56).
Die vier Phasen
Die erste und die letzte Phase, also die Urbanisierung und die Reurbanisierung, sind Phasen der Zentralisierung. Die Suburbanisierung und Desurbanisierung sind Phasen der Dezentralisierung.
Urbanisierungsphase
Was passiert?
Es kommt es zu starkem Bevölkerungswachstum in der Kernstadt.
Warum?
- die Industrialisierung in den Städten schafft viele Arbeitsplätze
- der schlechte Ausbau des Verkehrsnetzes und das geringe Einkommen der Arbeitnehmer zwingt die Bevölkerung zum arbeitsplatznahen Wohnen
Suburbanisierungsphase
Was passiert?
- der Schwerpunkt der Verteilung der Bevölkerung und Beschäftigung verlagert sich vom Stadtraum ins Umland. Dadurch verändert sich die Siedlungs-, Wirtschafts-, Bevölkerungs- und Sozialstruktur in der Kernstadt und im Umland
- Die Kurve in der Kernstadt steigt in der Suburbanisierung trotzdem weiter, weil sich die Kernstadt durch Eingemeindungen des suburbanen Raums weiter vergrößert
Warum verlassen Leute die Kernstadt?
- unzureichende Wohnungsangebote
- günstigere Wohnbedingungen im Umland
- Mängel in der Bausubstanz
- geringere Bebauungs- und Wohndichte im Umland
- steigender Flächenbedarf und hohe Grundstückskosten
Warum ziehen Leute die Kernstadt?
- Infrastruktur für junge Menschen wie Bildungseinrichtungen, kulturelle Freizeiteinrichtungen
Warum ziehen Leute ins Umland?
- gut erreichbare Gewerbe- und Industrieflächen
- neue Angebotsformen im Einzelhandel (z.B. Fachmärkte, Einkaufszentren)
Desurbanisierungsphase
Was passiert?
- Die Zunahme im Umland kann die Verluste aus der Kernstadt nicht mehr ausgleichen. Es kommt zur absoluten Bevölkerungs- und Beschäftigungsabnahme im gesamten Agglomerationsraum
- vor allem in Agglomerationsräumen mit industrieller Monostruktur (Bergbau, Montanindustrie)
- auf Englisch nennt man die Desurbanisierungsphase Counterurbanization
Warum?
- geringe Erneuerungsfähigkeit strukturschwacher Räume
- geringe Bereitschaft, sich in hoch belasteten Räumen anzusiedeln und zu investieren
Reurbanisierungsphase
Was passiert?
- durch private und öffentliche Erhaltungs- und Erneuerungsinvestitionen in den Kernstädten kommt es zu einer Renaissance der Städte
- mit aufwendigen Umbauten ist häufig die Verdrängung der einkommensschwächeren Bevölkerung verbunden. Es kommt zu Gentrification.
Das Phasenmodell in der Praxis
Die Urbanisierungsphase in der Praxis
Die Urbanisierungsphase trat im 19. Jahrhundert z.B. in Großbritannien, Deutschland und USA auf. In Deutschland kam es etwa ab 1840, mit dem Beginn der Industrialisierung zu Urbanisierung, da aufgrund des geringen Einkommens der Arbeitnehmer und des schlecht ausgebauten Verkehrsnetzes nur arbeitsplatznahe Wohnungen möglich waren.
Heute kommt es vorwiegend in den Entwicklungsländern zu Urbanisierung.
Die Suburbanisierungsphase in der Praxis
Die Suburbanisierungsphase startete in den Industrieländern ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als wohlhabende Haushalte sich vermehrt entschließen, von der Innenstadt an den Stadtrand zu ziehen. Außerdem bewirkte der Ausbau der Verkehrswege den Umzug der Unter- und Mittelschicht in die Vororte. Industriestandortverlagerungen an den Standrand fanden ebenfalls statt, da für neue Betriebe nur dort Flächen frei waren. In den USA sorgte die Suburbanisierungsphase für die heutige schwierige Situation zahlreicher inner cities von US-Städten.
Die Desurbanisierungsphase in der Praxis
In Deutschland kam es nicht zur Desurbanisierung. Desurbanisierung (bzw. Counterurbanization) war aber in den USA zwischen 1940 und den 1990er Jahren sehr häufig zu beobachten. Dazu kam es auch im Zuge des „white flight“, der Flucht der weißen Bevölkerung aus den Innenstädten im Zuge der „Great Migration“. Während der Great Migration zogen vermehrt Afroamerikaner aus den Südstaaten, sowie Lateinamerikaner in die Städte im Norden der USA. In der Folge verließen zahlreiche weiße Bewohner die Städte und zogen in ländliche Bereiche. Dies ist gut am Beispiel Indianapolis zu beobachten. ²
Die Reurbanisierungsphase in der Praxis
Die Reurbanisierungsphase vollzieht sich derzeit immer noch in einigen deutschen Städten. Mehr dazu unter Gentrification.
Quellen
¹ Heineberg, H. (2016): Stadtgeographie. 5. Auflage. Heidelberg.
² https://bloomp.net/articles/counter_urbanization_north_america.htm