Die Umsetzung von Chinas Ein-Kind-Politik

Da die chinesische Führung unter Deng Xiaoping in der starken Bevölkerungszunahme ein Risiko für das wirtschaftliche Wachstum sah, durften ab 1980 Paare in China nur noch ein Kind bekommen. Doch wie wurde diese radikale Maßnahme der Geburtenkontrolle in einem Land mit einer damaligen Einwohnerzahl von rund einer Milliarde umgesetzt?

Die Ein-Kind-Politik wurde 1979 zunächst auf Provinzebene, 1980 dann landesweit eingeführt. Welche Grunde dazu führten, erfahrt ihr in diesem Beitrag: Die Gründe für Chinas Ein-Kind-Politik.

Im Wesentlichen fußte die Durchsetzung der Ein-Kind-Politik durch die Regierung auf Überwachung, Abschreckung und Strafen. Die Maßnahmen der Geburtenkontrolle wurden flankiert von einigen weiteren Regelungen:

  • Reduzierung des Mindest-Heiratsalters für Frauen auf 20 Jahre und für Männer auf 22 Jahre.
  • Einführung einer zwingenden Erlaubnis für die Heirat wurde eine Erlaubnis benötigt.
  • Nachweis der Ehefrau, dass sie mit der Empfängnisverhütung vertraut war.
  • Schaffung eines eigenen Amtes für Bevölkerungskontrolle, bei dem ein Kind vorher beantragt werden musste.
  • Zuteilungen von Geburtenquoten für Betriebe und auch Wohngebiete mit Haftung des gesamten Betriebs für die Einhaltung der Quote.

Überwachung und Abschreckung

Hatte eine Familie nun einen Kinderwunsch, musste sie sich bei den örtlichen Behörden registrieren lassen und einen Antrag auf Geburtserlaubnis stellen. Wenn die Familie ein Kind bekam, musste dies ebenfalls registriert werden. Hierbei waren auch Krankenhäuser und Gesundheitszentren verpflichtet, der Regierung jeden Geburtsfall zu melden. Zweitgeborene erhielten folglich keinenHukou„, wie man die örtliche Meldebescheinigung nennt.¹ Diese Kinder werden also nicht als ordentliche Bürger anerkannt und haben kein Anrecht auf Sozialversicherung und staatliche Gesundheitsleistungen. Auch von Arbeitgeberseite fanden Kontrollen statt. So wurden Arbeitgeber angewiesen, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter keine zusätzlichen Kinder hatten. Wenn ein Arbeitnehmer gegen die Ein-Kind-Politik verstieß, konnte dies zur Entlassung führen, insbesondere Staatsangestellte an KP-Mitglieder konnte dies ihren Job kosten. In einigen Regionen gab es auch öffentliche Überwachungsteams, die die Einhaltung der Ein-Kind-Politik überwachten. Hierbei waren unter anderem Nachbarn, Lehrern und lokale Beamte eingebunden, die auf Verdacht hin Familien untersuchten, bei denen sie glaubten, dass sie gegen die Politik verstießen. Außerdem waren Frauen im gebärfähigen Alter gezwungen, sich alle drei Monate routinemäßigen Schwangerschaftstests unterziehen. Wenn eine Schwangerschaft ohne Genehmigung festgestellt wurde, führte dies in der Regel zu Strafen.

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Eine Tafel im Dorf Nonguang in der Provinz Sichuan informiert über die weibliche Bevölkerung des Ortes, listet die jüngsten Geburten namentlich auf und weist darauf hin, dass mehrere tausend Yuan an Bußgeldern für nicht genehmigte Geburten aus dem Vorjahr unbezahlt geblieben sind
By David Cowhig , Public Domain, Link

Strafen

Im Falle eines Verstoßes wurden Familien mit hohen Geldstrafen belegt. Die Höhe der Geldstrafe variierte je nach Region und Einkommen der Familie, konnte aber das Äquivalent von bis zu fünf Jahren des durchschnittlichen Haushaltseinkommens betragen. So sollte beispielsweise der damals 43-Jährige Yang Zhizhu im Jahre 2011 eine Strafe von 240.642 Yuan (rund 32.000 Euro) entrichten¹. Zudem konnten Familien, die gegen die Ein-Kind-Politik verstoßen hatten, auch den Zugang zu staatlichen Leistungen verlieren, wie zum Beispiel der Möglichkeit, eine Sozialversicherung oder staatliche Gesundheitsleistungen zu erhalten.

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Ein Propagandaposter, das die Ein-Kind-Politik bewirbt, 1982
By <a href=“//commons.wikimedia.org/wiki/User:Robert_Schediwy“ title=“User:Robert Schediwy“>Robert Schediwy</a> – <span class=“int-own-work“ lang=“en“>Own work</span>, CC BY-SA 3.0, Link

Zudem wurden in einigen Fällen Frauen gezwungen, eine Abtreibung oder Sterilisation durchzuführen, wenn sie gegen die Ein-Kind-Politik verstoßen hatten. 2012 wurde der Fall von Feng Jianmei publik.² Die damals 23-jährige wurde zu einer Abtreibung gezwungen, als sie im siebten Monat mit ihrem zweiten Kind schwanger war. Zuvor hatten die örtlichen Behörden von Feng und ihrem Ehemann eine Geldstrafe von 40.000 Yuan (ca. 5.400 Euro) verlangt, weil sie gegen die Ein-Kind-Politik verstoßen hatten. Als sie dazu nicht in der Lage waren, nahmen die Behörden Feng fest. Gegen ihren Willen sollen ihr Injektionen verabreicht worden sein, welche eine Abtreibung einleiteten. Der sieben Monate alte Fötus kam daraufhin tot zur Welt. Für internationale Aufruhr sorgte der Fall auch, da ein Bild veröffentlicht wurde, das die Frau zusammen mit ihrem toten Fötus auf dem Krankenbett zeigt. Die verantwortlichen Behörden wurden anschließend vom Dienst suspendiert. ³

Ausnahmeregelungen

Jedoch muss beachtet werden, dass es nicht flächendeckend für alle Familien vorgeschrieben war, nur ein Kind zu haben. So sah die Ein-Kind-Politik vor, dass Paare in städtischen Gebieten nur ein Kind haben durften, während Paare in ländlichen Gebieten in einigen Fällen zwei Kinder haben durften. In einigen anderen ländlichen Gebieten wiederum konnten Familien ein zweites Kind bekommen, wenn das erste ein Mädchen war, solange eine Wartezeit eingehalten wurde. In anderen Gegenden war ein zweites Kind erlaubt, wenn beide Eltern alleinerziehend waren.

Außerdem gab es Ausnahmen für ethnische Minderheiten und Familien, die ein behindertes Kind hatten. Darüber hinaus war es Personen, die einen gefährlichen Beruf (z. B. Bergarbeiter oder Fischer) ausübten, erlaubt, ein zweites Kind zu bekommen.⁴

Durch die Vielzahl an Ausnahmen, war den betreffenden Personen jedoch häufig unklar, ob es ihnen gestattet war, noch ein Kind zu bekommen, oder nicht. Hinzu kam eine oft willkürliche Auslegung der Regeln. Es wurde ein Fall einer Familie aus der Provinz Shaanxi publik, bei dem die Eltern davon ausgingen, dass sie ein Recht auf ein zweites Kind hätten, weil sie auf dem Land lebten und ihr erstes Kind ein Mädchen war. Gegen Ende der Schwangerschaft wurde ihnen jedoch mitgeteilt, dass der Antrag der Ehefrau nicht akzeptiert werden würde, weil sie in einem städtischen Gebiet gemeldet war. Das Amt für Familienplanung verlangte umgerechnet rund 6.500 Euro, um die Schwangerschaft zu genehmigen.² Darüber hinaus waren die Bewilligungen mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. So waren Antragsformulare von bis zu 50 Seiten keine Seltenheit.

Schrittweise Lockerungen

Da sich das Bevölkerungswachstum durch die Maßnahmen stark abschwächte und die Bevölkerung alterte, wurde die strikte Geburtenkontrolle seit den 1990er Jahren in einigen Regionen Chinas gelockert. Zunächst durften Familien in ländlichen Regionen, deren erstes Kind ein Mädchen war, ein weiteres Kind bekommen. Später lockten lokale Behörden verstärkt mit finanziellen Anreizen, wenn sich Eltern an die staatlich vorgeschriebene Kinderzahl halten. In den folgenden Jahren wurden die Regelungen immer weiter gelockert, So durften ab 2004 in Shanghai Geschiedene und wiederverheiratete Partner Nachwuchs bekommen, auch wenn sie schon ein Kind aus einer früheren Ehe hatten. Außerdem durften auch verheiratete Paare, die beide aus Ein-Kind-Familien stammen, zwei Kinder haben. Ab 2013 wurde diese Regelung weiter gelockert, sodass es ausreichend war, wenn einer der Ehepartner aus einer Ein-Kind-Familie kam.⁵

Mit Wirkung ab Januar 2016 erklärte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei die Ein-Kind-Politik offiziell für beendet, seitdem darf jedes Paar zwei Kinder haben. Ende Mai 2021 beschloss die Kommunistische Partei, es verheirateten Paaren in Zukunft zu erlauben, bis zu drei Kinder zu bekommen. Im Januar 2023 gab die Regierung der Provinz Sichuan bekannt, dass sie die Drei-Kind-Politik gar vollständig abgeschafft hat. Daher können Eltern in Sichuan jetzt legal so viele Kinder haben, wie sie wollen. Dadurch soll die Geburtenrate in Sichuan gesteigert werden.

Ein-Kind-Politik-China-Zusammenfassung-Zeitleiste
Zusammenfassung des zeitlichen Verlaufs der Ein-Kind-Politik in China
Quelle: geohilfe.de 2023 nach https://www.intechopen.com/chapters/68634

Fazit

Insgesamt war die Überwachung der Ein-Kind-Politik in China sehr streng und es gab hohe Strafen für Familien, die gegen die Politik verstießen. Durch die Maßnahmen der Geburtenkontrolle hat sich die Bevölkerungsstruktur Chinas drastisch verändert. Die Bevölkerung Chinas wurde dadurch zu alt, zu männlich und – je nach Sichtweise – auch zu klein.

Quellen

¹ https://www.spiegel.de/politik/ausland/chinas-geburtenpolitik-widerstand-in-der-ein-kind-republik-a-793660.html

² https://www.latimes.com/archives/la-xpm-2012-jun-15-la-fg-china-abortions-20120616-story.html

³ https://www.spiegel.de/politik/ausland/foto-von-zwangsabtreibung-in-china-sorgt-fuer-aufruhr-a-839014.html

https://www.npr.org/2016/02/01/465124337/how-chinas-one-child-policy-led-to-forced-abortions-30-million-bachelors

https://www.intechopen.com/chapters/68634

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