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Die „Grüne Revolution“ in Indien – Fluch oder Segen?

Trotz des Wirtschaftsbooms der letzten 20 Jahre herrscht in Teilen Indiens weiter Hunger. Nach Informationen der SOS-Kinderdörfer sind mehr als 200 Millionen Menschen in Indien nicht ausreichend versorgt. Davon handelt es sich bei 61 Millionen um Kinder. Stellenweise wird bereits zu einer zweiten „Grünen Revolution“ aufgerufen. Worum handelt es sich bei der Grünen Revolution und wie wird diese mittlerweile bewertet?

Die Grüne Revolution in einem Schaubild

Keine Zeit? Hier alles zur Grünen Revolution in einem Bild:

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Die Grüne Revolution: Maßnahmen – Folgen und Fazit
Bildquelle: geohilfe.de 2019

Was versteht man unter „Grüne Revolution“?

Die Grüne Revolution bezeichnet die Umstellung der Landwirtschaft auf moderne Produktionsmethoden. Sie setzte Mitte der 1960er Jahre in mehreren Entwicklungsländern ein.

Die Ausgangslage in Indien war das rasche Bevölkerungswachstum ab den 1940er Jahren. Die Ernährung der schnell wachsenden Bevölkerung war durch Dürren und den mangelhafte Effizienz in der Landwirtschaft kaum möglich. So wurden in Asien 1961 pro Person 194 kg Getreide produziert, während es in den USA 868 kg waren. In der Folge kam es zu zahlreichen Hungersnöten.

Aus diesem Grunde wurde durch die indische Regierung eine Reihe von Maßnahmen durchgesetzt, um den Ertrag in der Landwirtschaft zu steigern. Diese umfassen:

  • die Einführung neuer Hochertragssorten: Der Anteil der Erntefläche mit hochertragreichem Saatgut an der gesamten Erntefläche erhöhte sich bei allen Getreidesorten massiv
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Bildquelle: 3.Welt, Grüne Revolution (PowerPoint-Präsentation, online abzurufen)
  • intensiven Kunstdüngereinsatz: auch der Kunstdüngerverbrauch in Indien stieg rapide an um das Wachstum der Pflanzen zu beschleunigen
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Bildquelle: 3.Welt, Grüne Revolution (PowerPoint-Präsentation, online abzurufen)
  • Bewässerung: bei Weizen wurde Mitte der 90-er Jahre die 6,5-fache Fläche bewässert wie noch 1950
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Bildquelle: 3.Welt, Grüne Revolution (PowerPoint-Präsentation, online abzurufen)
  • der Gebrauch von Pflanzenschutzmittel
  • Mechanisierung
  • Beratung der Bauern

Welche Folgen hatte die Grüne Revolution?

Zunächst ist positiv zu bemerken, dass der Hunger weitestgehend gestillt werden konnte und die Ernteerträge seit den 1960er Jahren um das 2 bis 3-fach stiegen. In der Folge konnten die Getreideimporte erheblich zurückgefahren werden:

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Die Getreideerzeugung stieg angesichts der Maßnahmen massiv an, wodurch die Importe zurückgehen konnten.
Bildquelle: 3.Welt, Grüne Revolution (PowerPoint-Präsentation, online abzurufen)

Durch die intensive Bewässerung war die Bevölkerung nun nicht mehr so abhängig von den Monsunregen und hatte mehr Planungssicherheit. Außerdem kam es dank der Intensivierung der Landwirtschaft auf den bestehenden Feldern zu weniger Abholzung für neue Felder.

Jedoch überwiegt mittlerweile die negative Wahrnehmung der Maßnahmen der Grünen Revolution.

So führte der jahrelange Einsatz von Chemie in Form von Dünger und Pestiziden zu einer massiven Auslaugung des Bodens. Die ineffektive Bewässerung lies in weiten Teilen Indiens den Grundwasserspiegel absinken und Flüsse sowie Seen austrocknen.

Der massive Düngereinsatz hat nicht nur negative Folgen für die Umwelt, sondern auch für die Bauern. Sie tragen aufgrund der Hitze nur selten Schutzkleidung und sind somit den Chemikalien direkt ausgesetzt.
Bildquelle: https://images.livemint.com/

Studien des indischen Umweltforschungsinstitutes zeigten außerdem, dass das Blut der Einwohner des Bundesstaats Punjab eine hohe Belastung mit dem Pflanzenschutzmittel DDT aufweist. Brisanterweise nahm die „Grüne Revolution“ hier ihren Ursprung. Dadurch stieg die Zahl der Krebserkrankungen massiv an.

Aus sozioökonomischer Perspektive bleibt das Problem, dass die lokalen Bauern stark von internationalen Konzernen abhängig wurden. So sind die meisten Hochertragssorten durch Patentrechte geschützt, wodurch die Bauern nicht ihr eigenes Getreide als Grundlage für die Aussaat des folgenden Jahres verwenden können. Außerdem besteht eine hohe Abhängigkeit von Kunstdüngern.

Des Weiteren konzentrierte sich die Grüne Revolution auf die ressourcenreiche Regionen und verstärkte die Disparitäten im Land. Bauern, welche bereits vor der Grünen Revolution unter Armut litten, konnten sich die teuren Düngemittel, Maschinen und Pestizide nicht leisten und verloren den Anschluss. So rutschten sie in die Landlosigkeit ab. Andere Bauern nahmen Kredite auf und verschuldeten sich. Die Verzweiflung ist so groß, dass pro Tag vier Bauern in Indien Selbstmord begehen. Zwischen 2006 und 2016 waren es 142.000. Der Aktivist und Anwalt Kishor Tiwari sagt dazu: „Gen-Baumwolle bringt nichts als Schulden, treibt die Menschen in den Tod. Wenn der Ernährer einer Familie sich das Leben nimmt, beendet er auch das Leben und die Zukunft seiner Familie. Das ist die Tragödie.“

Welches Fazit bleibt?

Zusammenfassend kann man sagen, dass zwar der Hunger im Land gestillt werden konnte, die Grüne Revolution jedoch erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheit hatte, sowie die Disparitäten im Land noch weiter verstärkte.

Quellen

https://www.cfr.org/blog/india-needs-second-green-revolution

https://www.sos-kinderdoerfer.de/informieren/wo-wir-helfen/asien/indien/armut-in-indien

https://de.wikipedia.org/wiki/Grüne_Revolution

Präsentation 3.Welt, Grüne Revolution

https://www.dw.com/de/die-gefahren-von-indiens-grüner-revolution/a-16810643