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Wie Japan den demographischen Wandel meistert

Noch vor Deutschland (ca. 44 Jahre) weist Japan mit einem Durchschnittsalter von 46,3 Jahren die älteste Gesellschaft der Erde auf. Der durchschnittliche japanische Landwirt ist 70 Jahre. Während Deutschland dem demographischen Wandel u.a. mit Zuwanderung und einem höheren Renteneintrittsalter begegnen möchte, schlägt Japan einen anderen Weg ein – durch medizinische Innovationen und Robotik sollen die Herausforderungen der Zukunft bewältigt werden.

Wie gestaltet sich der demographische Wandel in Japan?

Noch einmal kurz zur Erinnerung die Definition des demographischen Wandels:

Als zweiten demographischen Übergang (demographischer Wandel) bezeichnet man die demographische Entwicklung, die in den westlichen Industrieländern zu beobachten ist und maßgeblich durch das Absinken der Geburtenraten unter das Bestandserhaltungsniveau von durchschnittlich 2,1 Kindern je Frau geprägt ist. Das Konzept wurde von den beiden Demographen Van de KAA und Lesthaege entwickelt (de Lange et. al. 2014, S. 169)

Wie der demographische Wandel bzw. Übergang gekennzeichnet ist und wie er sich in Deutschland vollzieht, wird unter Demographischer Wandel – Deutschland in Zukunft näher beschrieben.

In Japan vollzieht sich nun der demographische Wandel noch wesentlicher schneller und intensiver als in Deutschland.

2017 lag nach Angaben der Weltbank der Anteil der japanischen Bevölkerung über 65 Jahren bei 27%. Zum Vergleich: in Deutschland liegt er bereits bei beachtlichen 21%. Es wird geschätzt, dass sich die Zahl bis 2060 auf 40% erhöhen wird.


In erster Linie sind zwei Gründe für die rasche Alterung der japanischen Gesellschaft zu nennen. So hat sich zum einen in den letzten 70 Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung der Japaner um 35 Jahre erhöht. Derzeit liegt die Lebenserwartung für Frauen bei 86, für Männer bei 82 Jahren.

Zum anderen liegt die Fertilitätsrate Japans seit 1974 unter dem Bestandserhaltungsniveau von 2,1 und lag 2016 bei 1,41 Kindern pro Frau.

Dies führte dazu, dass die Bevölkerungszahl Japans nach Angaben der Weltbank zwischen 2010 und 2017 um knapp 1,3 Millionen sank. Zieht sich der Trend fort, so schätzt die japanische Regierung, dass die Bevölkerungszahl von derzeit 126,7 Millionen auf 116,6 Millionen im Jahr 2030 und bis 2050 auf 97 Millionen zurückgehen wird.

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Die Bevölkerungspyramide Japans weist eine Urnenform auf, was für eine Schrumpfung der Bevölkerung über einen langen Zeitraum spricht.
Von MagHoxpoxEigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Wie wirkt sich der demographische Wandel auf Japan aus?

Angesichts der anhaltend niedrigen Geburtenzahlen kommen immer weniger potentiell erwerbsfähige Personen auf den Arbeitsmarkt. Das wiederum führt dazu, dass weniger Beitragszahler auf immer mehr Rentner kommen. So kamen 2014 auf einen Rentner 2,19 Personen im Erwerbsalter – zum Vergleich: in Deutschland liegt der Wert bei 2,85 (zeit.de 2014).

In Japan ist das Mehrgenerationenwohnen weit verbreitet. Hierbei wird die Pflege der Alten von deren Kindern geleistet. So haben sich im Jahr 2015 knapp 178.000 Personen im Alter zwischen 15 und 29 um ihre älteren Familienmitglieder gekümmert. Durch den Wegzug der jungen Bevölkerung aus den Dörfern in die großen Ballungszentren und den steigenden Anteil von Frauen an den Erwerbstätigen werden Pflegeeinrichtungen jedoch immer wichtiger.

Zwischen 2000 und 2012 hat sich die Zahl der Personen, welche pflegebedürftig sind, von 1,49 Millionen auf 4,45 Millionen verdreifacht. So schließt Japan jährlich 400 Schulen, um sie in Pflegeheime umzufunktionieren.

Auch auf die Einwohnerentwicklung nimmt der demographische Wandel unmittelbar Einfluss. Mittlerweile ist der Agglomerationsraum Tokyo dank internationaler Zuwanderung die einzige Region Japans mit Bevölkerungszuwächsen. Zwischen 2005 und 2010 sank in 36 der 47 Präfekturen die Einwohnerzahl um mindestens 5%.

Lagen in den frühen 70-er Jahren die Kosten für Renten, Gesundheitswesen und soziale Einrichtungen noch bei rund 6% von Japans Bruttonationaleinkommen (BNE), waren es 1992 bereits 18%. Bis 2025 wird von einem Anteil in Höhe von 28% ausgegangen.

Blickt man auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts, fällt auf, dass das Wachstum in Japan seit Mitte der 90-er Jahre hinter den weltweiten Durchschnitt gefallen ist.

Der japanische Arbeitsmarkt steht ebenso vor schwierigen Herausforderungen. So soll bis 2030 die Zahl der jungen Arbeitnehmer um 18% und die der Konsumenten um 8% zurückgehen. Das Renteneintrittsalter liegt momentan bei 65 Jahren. Nach Studien der UN müsste es bei 77 Jahren liegen, um das Verhältnis von Rentner pro Erwerbstätigem aufrecht zu erhalten. Eine Alternative wäre, eine Nettoeinwanderung von 17 Millionen bis 2050 zu gewährleisten.

Wie gehen die Japaner mit dem demographischen Wandel um?

Japan versucht, die Geburtenrate durch eine bessere WorkLifeBalance zu steigern. Zu diesem Zweck wurde 2010 ein Gesetz zur Förderung der Kinderbetreuung verabschiedet, welches Müttern und Vätern u.a. ein Jahr Elternzeit und fünf Krankheitstage pro Kind gewährt.

Die japanische Regierung möchte durch neue medizinische Technologien, zu denen regenerative Medizin und Zelltherapie zählt, neue Wirtschaftszweige erschließen und zukünftige Kosten für das Gesundheitswesen senken. Dafür wurden auf einer aufgeschütteten Insel bei Kobe Krankenhäuser und medizinische Forschungseinrichtungen errichtet – der Kobe Biomedical Innovation Cluster. 

Die Hafeninsel von Kobe – Standort des Biomedical Innovation Cluster
Photo by Jiranon Kaeomalaithip on Unsplash

Japan ist eine der führenden Nationen im Bereich Robotik und Automation. Japanische Forscher möchten dieses Wissen auch im Zuge des demographischen Wandels nutzen.

Im Shintomi Nursing Home in Tokyo „arbeiten“ 20 Service-Roboter, welche die Gestalt von Tieren, kleinen Kindern oder Menschen aufweisen. Einer Studie der Japan Agency for Medical Research and Development zufolge hat sich dadurch die Selbstständigkeit, Geselligkeit, Stimmung und Kommunikation unter den Senioren positiv entwickelt.

Ein Beispiel hierfür ist eine Roboter-Robbe namens Paro, welcher von Takanori Shibata am Tsubuka’s National Institute of Advanced Science and Technologie erfunden wurde. Sie reduziert Stress, Depressionen und das Schmerzempfinden der Patienten während einer Chemotherapie. Mittlerweile werden die Plüschroboter exportiert und kommen in 80 % der dänischen Pflegeheime zum Einsatz.

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Der persönliche Roboter Paro, welcher zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird
Von Aaron Biggs, Flickr user ehjaybhttps://www.flickr.com/photos/ehjayb/21826369/, CC BY-SA 2.0, Link

Ein weiteres Beispiel sind Roboterarme, welchen Arbeitern im fortgeschrittenen Alter die Möglichkeit geben, Früchte zu ernten oder mechanische Hilfen, die Patienten auf dem Weg vom Bett zur Toilette unterstützen.

Der menschenähnliche Twendy-One-Robot kann Senioren aus dem Bett helfen, Lebensmittel aus dem Kühlschrank nehmen und Essen ans Bett oder den Tisch bringen, ist jedoch mit Kosten von knapp 200.000 Euro alles andere als günstig.

Fazit

Der demographische Wandel verläuft in Japan noch intensiver als in Deutschland und wirkt sich stark auf Gesellschaft, Politik und Wirtschaft aus. Insbesondere durch Innovationen im Bereich der Robotik versucht Japan, dem Pflegemangel entgegenzuwirken, sowie die Produktivität der Wirtschaft zu steigern. Investitionen in medizinische Forschung haben das Ziel, die zukünftigen Kosten des Gesundheitswesens zu senken. Ob der eingeschlagene Weg erfolgreich ist, werden die kommenden Jahre zeigen.

Quellen

Bildquelle Titelbild: hans-johnson  https://flic.kr/p/T3UMzg lizensiert unter CC BY-ND 2.0

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/200666/umfrage/durchschnittsalter-der-bevoelkerung-in-japan

https://en.wikipedia.org/wiki/Aging_of_Japan

https://www.zeit.de/wirtschaft/2014-03/erwerbsalter-rentner-verhaeltnis

https://www.nzz.ch/meinung/alterndes-japan-braucht-neue-ideen-ld.1357316

https://www.theglobeandmail.com/globe-investor/retirement/retire-planning/how-japan-is-coping-with-a-rapidly-aging-population/article27259703

https://thediplomat.com/2018/06/japans-robot-revolution-in-senior-care/