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Was macht die chinesische Stadt aus?
Nach einem halben Jahrhundert planwirtschaftlich-sozialistisch geprägter Stadtplanung ist die chinesische Stadt durch massive staatliche Eingriffe geprägt, aber zur gleichen Zeit auch den Bedingungen eines Entwicklungslandes unterworfen (W. Taubmann 1993 in Heineberg 2016, S. 340).
Traditionelle Merkmale der chinesischen Stadt
Traditionelle Merkmale sind nur noch in Einzelbauten und häufig dem Grundriss der Stadtkerns zu erkennen.
Nach W. Taubmann 1993, S. 420 in Heineberg 2016, S. 340 sind die traditionellen Merkmale der chinesischen Stadt:
Idealstadt der älteren Zhou-Dynastie (seit 8. Jh. v. Chr)
- ummauertes Quadrat mit 3 Toren pro Seite, von jedem Tor aus kreuzten jeweils drei Straßen die Stadt
- in der Mitte der Idealstadt lag der Palast des Herrschers (Kaiser repräsentierte den Himmel)
- Wohnviertel waren um den Palast von innen nach außen nach sozialer Stellung abgestuft. Es ergab sich also ein Gefüge in Ober- und Unterordnung
Gestaltungslemente
- Abbild des Kosmos darstellen
- Konfuzianisch geprägte Gesellschaftsideologien, kosmologische und naturmagische Vorstellungen ?Achsialität, Symmetrie und Orientierung nach den Himmelsrichtungen
Naturmagische Vorstellungen
- Idee der dualen Kräfte „yin-yan“ innerhalb der chinesischen Stadt; mit einer dominierenden Süd-Nord-Achse
- Süden: Sitz des yang (männliches, aktives, helles Prinzip)
- Norden: Sitz des yin (weibliches, passives. dunkles Prinzip)
- Markt z.B. im Norden, da Kaufleute als unproduktiv galten und somit an den Ort des geringsten yang-Einflusses verlagert werden mussten
Einflüsse ausländischer Mächte seit Mitte des 19. Jh.
- Im chinesischen Küstenbereich und den Unterläufen der Flüsse zerfielen die traditionellen Gesellschafts- und Stadtstrukturen durch den halbkolonialen Status
- moderne Industriebetriebe, europäisch geprägte Wohngebäude, Banken, Kaufhäuser etc. sind entstanden
Die sozialistische Transformation der chinesischen Stadt 1949-1980
- 1949: Gründung der VR China
- Einseitige Betonung der Schwerindustrie nach dem Vorbild der UdSSR mit Konzentration aller staatlichen Mittel auf die produktiven Sektoren
- Vernachlässigung von Wohnungsbau, Defizite bei Verkehrs- und Dienstleistungseinrichtungen
- Umweltbelastungen
- Städtebauliche Prinzipien der sozialistischen Stadtplanung:
- Symmetrie
- monumentale Hervorhebung wichtiger Gebäude
- zentrale Plätze
- schachbrettartige oder radiale Straßenführung
- Bau von neuen Satellitenstädte zur Entlastung der Kernstädte (z.B. um Shanghai, Peking)
- Bau von Großwohnanlagen und Industriezonen
- Keine Suburbanisierungsprozesse (private Bautätigkeit untersagt)
Stadtentwicklung seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik
- Öffnung von Sonderwirtschaftszonen für ausländische Direktinvestitionen, um die Exportindustrie anzuziehen
- Errichtung neuer Städte (z.B. Shenzen)
- Errichtung neuer Industriezonen innerhalb der offenen Küstenstädte, die eine flexible Wirtschaftspolitik ermöglichen sollen
- Westliche und internationale Stilelemente als architektonischer Ausdruck eines weltmarktzugewandten Modernisierungskonzeptes
- Ansiedlung von Arbeitsmigranten in Enklaven an den Rändern der Großstädte
- Global Cities: z.B. Shanghai, Peking
- Folge: wachsende Polarisierung zwischen den wirtschaftlich erfolgreichen Küstenstädten und anderen Städten/dem ländlichen Raum
Modell einer chinesischen Großstadt
Nach W. Taubmann 1993 in Heineberg 2016, S. 340:
- Um den Stadtkern ordnen sich Wohn- und Gewerbemischgebiete, die ein eigenes Versorgungs- und Dienstleistungszentrum aufweisen
- Außenzonen mit großflächigen monofunktionalen Einheiten mit neueren Verwaltungs- und Dienstleistungszentren (z.B. Unis, Großwohnanlagen, Industriegebiete)
- Ring intensiver Landwirtschaft (v.a. Gemüseanbau)
- Satellitenstädte am äußeren Rand der Stadt, jenseits des Gemüsegürtel
Folgende Karte in Google Maps zeigt das oben genannte Modell der chinesischen Stadt bzw. Großstadt mit vier Ringen in der Praxis am Beispiel Shanghai. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden nicht alle Wohngebiete etc. eingezeichnet. Das Schema ist aber sehr gut sichtbar.
Quellen
Heineberg, H. (2016): Stadtgeographie. 5. Auflage. Heidelberg.