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Disneys „perfekte“ Planstadt Celebration – New Urbanism, bizarre Regeln und das Scheitern einer Utopie

Vergangene Woche hatte ich die Möglichkeit, Celebration, rund 30 Kilometer südwestlich von Downtown Orlando im US-Bundestaat Florida, zu besuchen. Celebration ist eine Planstadt mit rund 7.500 Einwohnern, welche 1994 von der Walt Disney Company im Stil des New Urbanism geplant und realisiert wurde. Herausgekommen ist ein aufgesetzt wirkender Ort mit bizarren Regeln, welcher mittlerweile als gescheitert gilt. Im Folgenden sollen folgende drei Fragen beantwortet werden:

  1. Was macht Celebration besonders?
  2. Was bedeutet New Urbanism und wie ist die Bewegung in Celebration realisiert?
  3. Warum gilt Celebration als gescheitert?

Was macht Celebration besonders?

Eins vorneweg: Celebration ist keine Gated Community. Man kann in den Ort ohne Sicherheitskontrolle hineinfahren und sich frei bewegen. Das klappt sogar zu Fuß ziemlich gut, denn überall gibt es Gehwege (was in den USA nicht die Regel ist), welche durch Baumpflanzung durchaus schattig sind. Das ändert jedoch nichts daran, dass man kaum Fußgänger auf den Straßen antrifft.

Walt Disneys Version der Stadt von Morgen

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Im Sinne des New Urbanism ist die Stadt fußgängerfreundlich mit breiten, meist schattigen Gehwegen gestaltet worden.

Celebration basiert auf der Idee der „perfekten“ Kleinstadt. Anders als manchmal behauptet wird, handelt es sich bei Celebration nicht um die Umsetzung von Epcot (Experimental Prototype Community of Tomorrow), Walt Disneys Vision der Stadt von Morgen. In ihr sollte es weder Eigentum von Haus und Grund noch Arbeitslosigkeit geben, der Verkehr sollte unterirdisch verlaufen und eine riesige Glaskuppel würde jederzeit das perfekte Klima gewährleisten.¹ Ecpot wurde schließlich ein Freizeitpark in Orlandos Disney World.

Walt Disney bei der Präsentation von Ecpot

Beim Gang durch Celebration fällt unmittelbarer auf, wie „perfekt“, einheitlich, makellos und sauber alles wirkt. Das Video zeigt eine kleine Rundfahrt durch Celebration:

Celebrations bizarres Regelwerk

Zurückzuführen lässt sich dies auf ein recht strenges Set an Regeln, welche im Community Charter festgehalten sind. Die Einhaltung der Regeln wird zweimal jährlich vom Covenants Committee geprüft und nach Verwarnung sanktioniert. Ein paar Beispielregeln:

  • es dürfen nicht mehr als zwei Autos pro Haushalt an der Straße geparkt werden
  • Mülltonnen müssen außer Sicht stehen
  • die Farbe der Vorhänge an den Fenstern muss weiß sein
  • die USA-Flagge am Haus darf nicht größer als 48 x 72 Zoll sein
  • der Rasen hat stets in einer bestimmten Länge gemäht zu sein
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Gemähte Rasenflächen und Regelung zur Instandhaltung der Häuser sorgen für ein „sauberes“ Erscheinungsbild.

Mittlerweile befindet sich Celebration nicht mehr im Besitz des Disney-Konzerns, sondern einer Betreiber-Gesellschaft mit dem Namen Lexin Capital², welche für Stromversorgung, Telefon und Grünflächen eigene Tochterunternehmen gegründet hat. Einen demokratisch gewählten Bürgermeister gibt es demzufolge nicht. ³

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Regelmäßige Events gehören zum Stadtmarketing von Celebration.

New Urbanism in Celebration

New Urbanism ist ein Instrument der Stadt- und Regionalplanung. Es umfasst alle Maßnahmen zur Reduzierung von Urban Sprawl und den Bau neotraditioneller neighborhoods, um die Lebensqualität und den Zusammenhalt der Bewohner zu erhöhen (Hahn 2014).

Celebration gilt als eines der bekanntesten Beispiele für New Urbanism. Die Bewegung entstand Ende der 1980er Jahre und wurde von zwei Architekten aus Miami ins Leben gerufen.

Eine Grundidee des New Urbanism sagt, dass es keine Trennung zwischen den Daseinsgrundfunktionen Wohnen, Arbeiten und sich versorgen geben soll, sondern die entsprechenden Einrichtungen räumlich gemischt auftreten (mixed use development). So findet man im Zentrum Geschäfte und Restaurants in den Erdgeschossen der Gebäude, während Wohnungen direkt darüber gelagert sind.10

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In Downtown Celebration findet man eine Mischung aus Einzelhandel und Wohnen.

Die Vision vom Mix aus Verkehrsträgern

Folglich soll auch nicht der motorisierte Individualverkehr das bestimmende Verkehrsmittel sein, sondern eine Mischung aus Auto, Fuß- und Radverkehr und öffentlichem Personennahverkehr das Stadtbild bestimmen.10 Zwar ist Celebration, wie erwähnt, für amerikanische Verhältnisse sehr fußgängerfreundlich (breite, schattige Gehwege, Sitzbänke, Trinkbrunnen), jedoch funktioniert die Mischung – mit Ausnahme des Stadtzentrums – nicht wirklich. Entfernt man sich nur wenige hundert Meter vom „Ortskern“, dem See, sieht man fast ausschließlich Autos. Während meines Aufenthaltes habe ich keinen einzigen Fahrradfahrer gesehen, ein öffentlicher Nahverkehr existiert nicht.

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Trotz des guten Ausbaus an Fußwegen sind kaum Fußgänger unterwegs.
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Sitzbänke und Trinkbrunnen laden zum Austausch und „Communitybuilding“ ein, werden aber kaum genutzt

Das Streben nach Gemeinschaftsgefühl

Ein weiteres Leitmotiv des New Urbanism ist das Schaffen von Gemeinschaftsgefühl.10 Celebration bewirbt sich auf seiner Startseite mit dem Satz: „There’s a reason Celebration is not a town, but a community in every positive sense of the word.“⁴ In Celebration gibt es Vereine für jeden Geschmack: unter anderem gibt es den Rotary Club of Celebration, Celebration Little League, Celebration Veterans Group, Celebrators, Garden Club of Celebration The Celebration Foundation – um nur einige wenige zu nennen. Disney versucht durch die Vereine, die typische US-amerikanische Kleinstadt zu replizieren, in der jeder jeden kennt.

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Werbetafeln für Celebration samt Logo und Slogans findet man häufiger.

Dabei ist zu beachten, dass die Einwohner von Celebration an sich bereits eine relativ homogene Gruppe formen. Die vergleichsweise hohen Immobilienpreise in Celebration schrecken automatisch einkommensschwache Haushalte ab.

So handelt es sich bei einem überwältigenden Teil der Einwohner um weiße Amerikaner aus höheren Einkommensschichten. Bei 2.035 der 2.848 Haushalte (71,5 %) handelt es sich um Familien.⁶

Warum Celebration scheiterte

Anders als die futuristischen Planungen für Ecpot vorsahen, orientierte sich Celebration in Wahrheit an der Vergangenheit.

Die Architektur

Die Architektur in Celebration setzt sich zusammen aus Einflüssen des Klassizismus, Viktorianismus und Colonial Revival. Es fehlt daher an Authentizität. Das Problem hierbei war, dass Celebration just zu einer Zeit erbaut wurde, als die Amerikaner langsam skeptisch gegenüber Simulacra wurden.⁷ Herausgekommen sind steril wirkende Bauten mit einer Ästhetik, über die sich streiten lässt.

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Das Kino in Celebration wirkt wie ein postmoderner Bau aus den 1950er Jahren.

Ein Mangel an der Bausubstanz trat in den letzten Jahren zu Tage. An den Innenseiten der mit Nylon ausgekleideten Wänden treten vermehrt Schimmelpilze auf. Zahlreiche Balkone sind daher unbenutzbar. Die Eigentümergemeinschaft hat daher 2016 ein Zivilverfahren gegen Lexin Capital eingereicht und fordet 15 bis 20 Millionen Dollar an Entschädigung.⁸

Unzufriedenheit der Bewohner

Das Fehlen eines Bürgermeisters sorgte schon wenige Monate nach Eröffnung für Probleme. Die Bürger waren unzufrieden mit den Lehrmethoden der Schule. Gründe waren unter anderem das Unterrichten in altersgemischten Klassenräumen, Lesen nach der „Ganzwortmethode“ und schriftliche Bewertungen anstelle von Noten. Es kam schließlich zum Eklat und mehrere Einwohner verließen die Stadt bereits nach wenigen Monaten. Bemängelt wurde insbesondere das Fehlen eines Ansprechpartners bei Disney, welcher die Angelegenheiten der Einwohner ernst nimmt.⁹

2008 traf schließlich die Finanzkrise Celebration. In der ersten Hälfte des Jahres 2010 mussten 106 Familien ihre Häuser verkaufen. Das örtliche Kino schloss ebenso. Im selben Jahr kam es zum ersten Mord und Selbstmord.⁹

Wie oben bereits erwähnt, fehlt die sozio-ökomische Durchmischung. Neben einkommensstarken Familien der Mittel- und Oberschicht wohnen in Celebration in erster Linie betagte Rentner.

Fazit

Das Ziel von Celebration war, den American Dream – analog von Seaside in der Truman Show – in einer Kleinstadt abzubilden.

Im Sinne des New Urbanism sollte eine Stadt der kurzen Wege mit einem hohen Maß an Lebensqualität geschaffen werden, in der sich die Bewohner zuhause fühlen und in der Gemeinschaft an erster Stelle steht.

Es bleibt festzuhalten, dass dies weitestgehend gescheitert ist. Statt Fußgängern und Fahrrädern bevölkern, wie im Rest des Landes, SUVs und Trucks die Straßen. Laut Regelbuch perfekt gemähte Rasen und weiße Vorhänge kaschieren Mängel an der Bausubstanz. Anstelle sozialer Vielfalt findet man eine Stadt der weißen Oberschicht vor. Schließlich scheitere Celebration auch am eigenen Anspruch, die perfekten Utopia darstellen zu wollen, was von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

Quellen

¹ https://www.celebrationinfo.com/myths.htm

² https://archpaper.com/2016/11/celebration-fl-mold-shoddy-construction/

³ https://www.deutschlandfunkkultur.de/florida-gruselig-idyllisch.979.de.html?dram:article_id=298611

http://www.celebration.fl.us

https://suburbanstats.org/population/florida/how-many-people-live-in-celebration

https://gizmodo.com/celebration-florida-the-utopian-town-that-america-jus-1564479405

https://archpaper.com/2016/11/celebration-fl-mold-shoddy-construction/

https://www.spiegel.de/einestages/disney-planstadt-celebration-a-947267.html

10 Hugh E. Bartling: Disney’s Celebration, the Promise of New Urbanism, and the Portents of Homogeneity. The Florida Historical QuarterlyVol. 81, No. 1, The Best Laid Plans: Community, History, and Urban Development in Central Florida (Summer, 2002), pp. 44-67